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Was ist menschliche Intelligenz?

Meine Beschäftigung mit der Künstlichen Intelligenz bringt mich immer wieder auf die Frage: "Was ist eigentlich menschliche Intelligenz?" Es gibt genügend Forschung darüber, dass Menschen - insbesondere unter Zeitdruck oder Routine - gar nicht sonderlich intelligent entscheiden. Von der wahrnehmungsverzerrenden Wirkung von Gefühlen ganz zu schweigen. Perfekte Objektivität jedenfalls unterstellt keiner dem Menschen.

Die großen Stärken der menschlichen Intelligenz sind immer noch:
- Verstehen von Folgen von Handlungen. Gerade auch das emotionale Begreifen.
- Die Fähigkeit, sich an geänderte Randbedingungen anzupassen und auch dort noch angemessen zu agieren.

Allerdings üben nicht wirklich alle Menschen diese Fähigkeiten gleichermaßen aus. Neulich habe ich z.B. über das Thema Cybermobbing recherchiert und bin dabei auf das oft beobachtete Phänomen gestoßen, dass Menschen beim Cybermobbing mehr noch als beim Mobbing im "real life" Schwierigkeiten haben, die Folgen ihres Handelns ganz zu ermessen. Natürlich wird jeder Mobber, wenn er vor Gericht gezerrt wird, behaupten, das sei alles keine Absicht gewesen und er sei sich der Schwere seiner Tat nicht bewusst gewesen. Und natürlich gibt es auch Mobber, die sich krank lachen vor Freude darüber, jemandem weh getan zu haben. So gesehen ist diese in Interview geäußerte Nichtwahrnehmung der Gefühle des Opfers natürlich meist eine lahme Ausrede. Aber tendenziell ist sicher etwas dran. Sonst würden nicht Menschen, die sich im Real Life einigermaßen zivisiliert verhalten, im Schatten der scheinbaren Anonymität plötzlich all die Dinge sagen, die sie sonst aus Feigheit und Angst vor Strafe für sich behalten. Über den Selbstmord ihres Opfers sind die meisten Täter vermutlich dann trotzdem erstaunt. Genauso wie ein Roboter sich wundern würde, wenn ein Mensch aufgrund seiner Worte aus dem Fenster springt.

Auch mit der Anpassung an geänderte Tatsachen tun sich Menschen extrem schwer. Darum ist ja "Change Management" so eine gefragte Wissenschaft und Beratungsdienstleistung. Weil Menschen sich mit Händen und Füßen sogar gegen vorteilhafte Veränderungen sträuben. Und oft wird bereits im Kleinen der Status Quo dadurch erhalten, dass Tatsachen, die nicht zum aktuellen Weltbild passen, aus der Wahrnehmung ausgefiltert werden. Das Gehirn schützt sich also aktiv vor allem, was Veränderungen erzwingen würde, und wenn es nur eine Meinungsänderung ist.

Um sich intelligent zu verhalten, benötigt auch ein Mensch eine intensive Schulung. Diejenigen, von deren Objektivität vieles abhängt, erhalten solche Trainings. Ich sehe große Ähnlichkeiten beim Mindset, das Wissenschaftler, Journalisten und Gutachter mitbringen müssen: Objektivität, die Konzentration auf die Fakten, Beurteilung der Zuverlässigkeit von Quellen, Auflösenkönnen von Widersprüchen in der Datenlage. Das lässt sich lernen, verlangt aber viel Disziplin.

Simon Ehrlich

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