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Bad Influencer versus Feminismus-Influencerin

Und noch ein Fundstück aus der ARD-Mediathek. In der Serie "Bad Influencer" finde ich gleich zwei Themen, die mich berühren: der Einfluss der Digitalisierung des Lebens auf die Menschen und der Feminismus. Donna erinnert mich an mein jüngeres Ich, das nicht einsehen wollte, dass wir gegen den Machismus niemals ankommen werden. Sie ist traumatisiert, wütend und kämpft mit vollem Einsatz.

Donna will keinen Fame, sondern einfach nur ihre Miete bezahlen. Leider wird sie aber von Pickup-Artist Pascal beim One-Night-Stand gelivestreamt und erntet mit ihrem anschließenden Wutanfall ganz viele Likes, Hates, Shares und Kontaktanfragen. Ihr Exfreund sieht seine Chance, sie zur Influencerin zu pushen und ruft: "Donna, was meinst du, wie viel Geld man momentan mit Feminismus machen kann!" 
Sie versucht, ihr Leben so weiterzuleben wie bisher, aber das klappt keinen einzigen Tag mehr. Anderthalb Millionen Menschen haben sie halbnackt gesehen. Sie verliert ihren Job und kann nicht mal an die Tür gehen, um die Pizza reinzuholen, ohne erkannt und gefilmt zu werden. Wütend sagt sie den Machos, Incels und Antifeministen den Kampf an. Innerhalb einem Monat will sie mehr Follower haben als dieser Pascal, der sie reingelegt hat. Und sie legt all ihre Wut in diese Mission... Von der sorgfältig frisierten und beherrschten Kellnerin eines Nobelrestaurant ist bald nichts mehr übrig.

Leider entspricht es der Logik der Massenmedien, dass extreme Gefühle und Hass mehr Klicks mehr bringen als konstruktive, sachliche Berichte. Pascal, der seiner Meinung nach das Arschloch nur spielt, erklärt es Donna so: "Diese Hater checken nicht, dass sie Teil deiner Zielgruppe sind. Deine Hater machen dich noch größer als deine Fans."

Die hier gezeigte Welt wirkt auf mich gruselig: Alle sind Influencer, alle streben nach möglichst vielen Klicks, und damit ist nichts mehr privat. Im Fitnessstudio wird mehr gefilmt als trainiert, so als würde man Sport nur für die Follower machen, nie für sich selbst. Bei jeder Gefühlsäußerung filmen alle Gaffer mit. Insbesondere wenn Donna und Pascal sich im Real Life über den Weg laufen.

Donna schreit und pöbelt, sie lässt ihre fucking Wut ungefiltert heraus. Dabei wird sie leider von anderen benutzt und instrumentalisiert. Das führt dazu, dass sie sich letztlich mit ihrem Influencer-Ehrgeiz mehr entblößt als ein einziges verwackeltes, dämmriges Pascal-Video das hätte tun können. Das wäre einfach nach unten gerutscht und vergessen worden. Aber so hat Donna einen Krieg begonnen, den sie in der Machowelt niemals gewinnen konnte. Plötzlich hängen gut ausgeleuchtete Sexfotos von ihr an jeder Litfasssäule. Egal was sie tut, es führt sie nicht zu einem glücklichen Privatleben zurück und erst recht nicht zu einem neuen, seriösen Job.

Am Ende hat Donna gewonnen und verloren. Sie hat die 1,5 Millionen Follower erreicht, aber ganz viel dabei verloren. Aber sie hat gelernt: Feminismus bedeutet vor allem Solidarität. Yes! Keine toxische Weiblichkeit, kein Zickenterror, keine Männerfeindlichkeit. Ein interessanter Twist des Films ist, von wem sie dies gelernt hat, nämlich aus ganz unerwarteter Ecke. Und über die Schlussszene muss ich immer noch schmunzeln. Da setzt Donna ganz klar ihre Prioritäten.

Was bleibt am Ende? Ich weiß es nicht. Mir ging es ja wie Donna. Ich war wütend und habe gekämpft, möglichst ohne zu übertreiben. Das hat mehr geschadet als genutzt. Aber: Hätte ich es bleiben lassen können und immer alles tun, was man von mir erwartet? Das wäre ja noch schlimmer! Leider ist nämlich Donnas schreiender, manchmal vulgärer Rachefeldzug die einzige Übertreibung in diesem Film. Das Verhalten der Machos ist absolut authentisch. Davon ist nichts übertrieben. 

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