Beim ZDF gibt es noch eine weitere Science-Fiction-Serie über den Überwachungsstaat: Concordia - Tödliche Utopie. In den Werbevideos klingt alles nach einer traumhaften Zukunfts-Utopie: Alles wird in Concordia überwacht, gemessen und durch eine KI bewertet. Auffälligkeiten werden den Comunity Officers gemeldet, quasi Sozialarbeiter/innen, die dann dank Empathie und Freundlichkeit das Problem lösen. In Utopia gibt es darum keine Verbrechen und keine Polizei. Die gesammelten Umwelt- und Verkehrsdaten dienen dem Umweltschutz. Alle Menschen sind entspannt, freundlich, tolerant und fühlen sich sicher.
Motivation für dieses Sozialexperiment und die finanzielle Investition, die darin steckt, war ein Schulmassaker. Der jugendliche Täter war in psychologischer Behandlung, doch der Therapeut hatte die tödliche Gefahr nicht erkannt. Der KI würde das nicht passieren.
Zwanzig Jahre lang lief alles sehr gut. Menschen aus der ganzen Welt kamen nach Utopia, um dort ein freies und sicheres Leben zu führen. In Kürze soll das Konzept nach Deutschland exportiert werden. Und ausgerechnet jetzt geschieht ein Mord. Ein junger Administrator des Überwachungssystems wird knapp außerhalb der Stadtgrenze ermordet. Bei der Durchleuchtung seines Lebens und seiner Kontakte stellt das Team fest, dass der Ermordete das System für private Zwecke missbrauchte. Es offenbart sich nach und nach eine Vielzahl an verborgenen Datenschutzproblemen und ethischen Problemen. In Concordia müssen politische Entscheidungen getroffen werden. Was sagen wir wann den Bewohnern? Es fällt die fatale Entscheidung "Um die Transparenz dauerhaft zu sichern, müssen wir kurzfristig Kompromisse machen." Schließlich muss das System für 24 Stunden offline genommen werden, um es gegen eine Hackergruppe zu sichern. Und genau in dieser Zeit geschieht noch ein Mord. Es stellt sich auch die ethische Frage: Ist es richtig, für das Wohl der Mehrheit einzelne Menschen zu opfern?
Was ich an diesem Film gut fand ist, dass wir hier keine Dystopie erleben, in der ein autoritärer Staat seine Bürger terrorisiert, sondern alle Bewohner und die Leitung Concordias wollen, dass das Projekt funktioniert. Datenschutz wird durch zahlreiche ausgeklügelte Maßnahmen sichergestellt. So können Datennutzung und Privatsphäre gleichzeitig realisiert werden. Gerade diejenigen, die hier morden, verfolgen hohe Ideale und das Wohl der Menschheit. Darum wird am Ende auch niemand zur Rechenschaft gezogen.
Eine kleine Lücke im System kann alles ins Gegenteil verkehren. Ein einsamer Incel, der von Hackern angeworben wird, der dem Social Engineering anheimfällt, und schon schleust ein Administrator falsche Regeln ins System ein und leakt vertrauliche Daten. Und wer überwacht die Überwacher? Ein Überwachungssystem und Datenschatz wie in Concordia ist eine tickende Zeitbombe, die irgendwann jemand zünden wird.
Das heißt praktisch: Man kann und sollte auch dann gegen die Komplettdigitalisierung unseres Lebens sein, wenn man der aktuellen demokratischen Regierung vertraut. Oder wenn man der Firma und deren Datenschutzerklärungen vertraut, die unsere Daten sammelt. Missbrauchte Daten sind wie ein Dammbruch. Das Wasser pumpt keiner mehr in den Stausee zurück.