Der Burnout hatte sich angefühlt als sei um meinen Kopf ein Eisenring gespannt, der allmählich immer enger gezogen wird. Das führte zu einem konstanten "Druck auf dem Kopf". Letzte Nacht ist er geplatzt und ich bin als ein neuer Mensch aufgewacht. Vor lauter Schreck ist der Wecker stehen geblieben. Kleiner Scherz, kann auch ein Zufall sein. Aber in Phasen der Wandlung spielen bei mir oft die Uhren verrückt. In meiner Funkuhr in der Küche habe ich schon vier Mal die Batterie gewechselt, aber sie weiß immer noch nicht, wie spät es ist. An guten Tagen zeigt sie immerhin korrekt die Winterzeit an, aber meistens ist es einfach irgendetwas. Von meinen vier Weckern hat nur noch dieser eine funktioniert und jetzt steht er. Er blieb genau in der Minute stehen als ich aufwachte. Manchmal denke ich, diese physische Welt ist nur ein Witz oder eine Computersimulation. Oder es handelt sich um einen luziden Traum? Den erkennt man ja bekanntlich daran, dass Uhren nicht funktionieren, haha.
Mir dagegen geht es prima. Die Welt leuchtet wieder hell und voller Möglichkeiten, in mir sprudelt die Energie, die Großes schaffen möchte. Als ich vor einem Jahr kündigte, sagte eine Kollegin, die Heilung von Burnout dauere so lange wie der Burnout angedauert hatte. Ich so: "Oh nein, das wären ja zwei Jahre!" Nun genügte ein Jahr. Aber es kommt natürlich darauf an, wie man zählt. Ich habe bei der AKAD drei Jahre gearbeitet. Das erste halbe Jahr war prima. Nicht zu viel Arbeit und Raum für kreative Ideen, abgesehen davon, dass ich mir jede Idee genehmigen lassen musste, was ich nicht gewohnt war. Aber so ist das eben, wenn man nur eine Ressource ist.
Dann wurde eine Stelle gestrichen bzw. umgewidmet und ich arbeitete unter Überlast, konnte das durch Überstunden aber noch schaffen. Dann verschärfte sich die Situation erneut abrupt und ich begann zu kämpfen. Und sobald man gegen die Wände schlägt, merkt man erst, wie hart sie sind. Eventuell fing da der Burnout erst an. Genau lässt sich das nicht sagen, denn so etwas kommt ja schleichend. Anfangs genügt noch ein freier Tag, um sich zu erholen, irgendwann nur noch mehrere Tage und irgendwann helfen nicht mal mehr drei Wochen Resturlaub an Weihnachten. Das war der Moment, wo ich erkannte: Es muss ich etwas ändern oder ich muss da raus!
Die Heilung begann, als ich vor einem Jahr beschloss zu kündigen. Damit tat sich ein Riss in der Mauer auf, durch den ich im Dezember dann gehen würde. Es half ja schon, einen Ausweg vor mir zu sehen. Auch wenn dadurch die Arbeitslast nicht weniger wurde. Aus Mangel an Nachfolgern habe ich vier Projekte im Dezember sogar noch kostenfrei fertiggestellt. Gleichzeitig habe ich in einer Art Euphorie ganz viel Neues angefangen, u.a. zahlreiche Publikationen. Die werden jetzt nach und nach fertig. Gestern Abend habe ich wieder eine abgeschlossen. Gleichzeitig verzieht sich nun endlich die Nebenhöhlenentzündung, die mich seit Ende Februar gequält hat. Beides klärt den Kopf. Ich habe immer noch viele Projekte angefangen, aber jetzt endlich das Gefühl, dass das alles schaffbar ist. Tja, warum habe ich im Dezember überhaupt so viel angefangen? Weil Burnout einen entgrenzt. Man wurstelt in einer empfindungs- und mitleidslosen "Schaff ich schon irgendwie"-Stimmung, weil man es schon gewohnt ist, die eigenen Grenzen zu missachten. Ich war wie ein Zombie: Es geht, es spricht, aber es fühlt nichts. Oder wie ein Roboter.
So, und als nächstes muss ich mal bei meinen Weckern die Batterien wechseln, damit ich auch morgen noch pünktlich aufwachen kann...
PS: Zwei Tage später: Inzwischen bin ich drei Mal morgens aufgewacht und fühlte mich wach. Ich konnte meinen Körper spüren. Es fühlte sich an wie in einem Science Fiction Roman, als habe man meinen Geist in einen neuen Körper transferiert. Es fühlt sich gut an, wenn auch ungewohnt. Ich bin so froh, dass der Burnout vorbei ist!