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Internet of Humans

Wir Menschen vernetzen uns miteinander, indem wir miteinander sprechen, Informationen, Gefühle, Dienstleistungen und Gegenstände austauschen, gemeinsam Feste feiern oder uns streiten. Wir tun das freiwillig oder aus der alltäglichen Notwendigkeit heraus, um für unser Leben und für unsere Arbeit alles Benötigte zu erhalten. Diese Interaktionen mit anderen Menschen machen nicht immer Spaß, aber ohne sie würden wir als soziale Wesen geistig und emotional verhungern.
Durch diese Wechselwirkungen entstehen Netzwerke, die im besten Fall durch positive Erfahrungen stabilisiert werden und zu einem Gefühl des Vertrauens führen. Diese Einbettung in ein verlässliches Netzwerk fühlt sich gut an.
Das Internet ermöglicht zusätzlich zu den klassischen Real-Life-Beziehungen auch anonyme Beziehungen zwischen Menschen, die sich vorher nicht kannten und wohl auch nicht kennen lernen werden. Beispielsweise wenn man online etwas kauft. Obwohl es sich dabei oft nur um eine einmalige Beziehung handelt, kann auch hier Vertrauen dadurch entstehen, dass zahlreiche andere zuvor gute Erfahrungen mit diesem Verkäufer gemacht haben. Durch diese über digitale Hilfsmittel vermittelten Mensch-Mensch-Beziehungen entsteht nicht nur ein Netz von Computern, sondern auch ein "Internet of Humans", das über die Idee von Web 2.0 hinaus geht.
Der neuste Trend ist das "Internet of Things". Dieses ergänzt das Internet of Humans durch zusätzliche Beziehungen, soll aber auch nach und nach die Mensch-Mensch-Beziehungen durch Maschine-Maschine-Beziehungen ersetzen, z. B. wenn mein Kühlschrank automatisch Lebensmittel beim Supermarkt-Server nachbestellt und eine Drohne automatisch in mein Lebensmittel-Schließfach liefert. Nun ist natürlich die kurze Interaktion beim Einkaufen mit der Supermarktverkäuferin nicht gerade der kommunikative Höhepunkt der Woche. Trotzdem stellt sich die Frage, auf wie viel Kommunikation wir verzichten können, bevor es uns zu schaden beginnt und wir uns einsam fühlen.
Man könnte argumentieren, dass die Entlastung vom schnöden Lebensmitteleinkauf uns mehr Zeit für tiefergehende zwischenmenschliche Beziehungen freihält. Ich bezweifle jedoch, dass die Erfindung anderer zeitsparender Helferlein wie z. B der Waschmaschine und der Spülmaschine bisher unsere zwischenmenschlichen Beziehungen vertieft haben. In der ineffizienten alten Welt begegneten die Menschen einander beim Wasserholen, im Backhaus, beim Wäschewaschen am Fluss, im Badehaus, auf dem Wochenmarkt, unterhielten sich über den Zaun hinweg bei der Gartenarbeit, mussten einander bei aufwändigen Arbeiten helfen oder den Nachbarn um Feuer bitten, wenn das Herdfeuer ausgegangen war. Unsere zuverlässige Infrastruktur und Maschinen haben bereits zahlreiche dieser zwischenmenschlichen Beziehungen eingespart, ohne dass die gewonnene Zeit zu einer Vertiefung der übrigen Beziehungen geführt hätte.
Ich glaube, das hat zwei Gründe: Erstens kostet uns die Kommunikation messbar Zeit und oft auch Nerven, aber deren Nutzen ist uns oft weniger bewusst. Darum rationalisieren wir sie gerne mal weg. Zweitens entwickeln sich oberflächliche Interaktionen oft zu tiefergehenden zwischenmenschlichen Beziehungen weiter. Überlegen Sie doch mal rückwärts, woher Ihre Freundschaften stammen. Meist ist man da nicht losgezogen mit dem Plan, einen guten Freund zu finden. Einer meiner besten Freunde war z. B. mal ein Ebay-Kunde von mir. In diesem Fall hat die Digitalisierung Menschen miteinander in Kontakt gebracht, die einander sonst nie begegnet wären. Zukünftig bringt das Internet of Things nur noch Maschinen miteinander in Kontakt. Das ist ein Paradigmenwechsel!
Simon Ehrlich

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Rezension: „Maschinen wie ich“ von Ian McEwan

Der Roman „Maschinen wie ich“ von Ian McEwan behandelt die künstliche Intelligenz. Er spielt in einer alternativen Realität. Alan Turing, der britische Pionier der Informatik, beging nicht 1954 Selbstmord, sondern ist inzwischen ein siebzigjähriger Wissenschaftler von internationalem Renommée. Nicht nur hat er selbst zur künstlichen Intelligenz geforscht, sondern seine Ergebnisse als Open Source der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Andere taten es ihm gleich. Dadurch schritt die Entwicklung der Informatik rasant voran, und 1982 ist man so weit, dass die ersten zwei Dutzend intelligenter humanoider Roboter auf den Markt kommen.

Charlie Friend, ein 32-Jähriger, der nach zahlreichen erfolglosen Geschäftsideen nun als Aktienspekulant in einer heruntergekommenen Wohnung lebt, und plötzlich Geld erbt, der sich außerdem für Technik interessiert, leistet sich einen der Adams, einen männlichen Roboter. Eigentlich hätte er lieber eine Eve gehabt, aber die weiblichen Exemplare waren schnell ausverkauft. Nach anfänglichem misstrauischen Beäugen seines Kaufs, gelegentlichen Rückgabegedanken und Zweifeln, und den ständigen Überlegungen, wie Adams Sehen, Denken und Lernen funktioniert, stellt Charlie fest: „Nichts ist so erstaunlich, dass wir uns nicht daran gewöhnen könnten.“ Adam gehört bald zur Familie. Charlie beginnt eine Beziehung mit seiner Nachbarin Miranda, einer Studentin. Zufällig kommt noch ein kleiner Junge zum Haushalt dazu. Nach einer gewissen Lernphase kann Adam selbständig (zu selbständig!) einkaufen und begeistert Mirandas Vater mit intellektuellen Streitgesprächen. Der nervöse Charlie wirkt daneben eher langweilig, geradezu roboterhaft, was zu einer amüsanten Verwechslung führt.

Da Künstliche Intelligenz grundsätzlich eine Black Box ist, wird Charlie seinen Adam nie ganz verstehen und darum durch einige seiner selbständigen Aktionen überrascht werden. Obwohl Adam mit der Zeit eine Persönlichkeit, ein Bewusstsein und sogar Gefühle entwickelt, kommt er doch in moralischen Fragen zu anderen Schlussfolgerungen als seine Menschen. Trotz seiner Begeisterung für die Elektrotechnik hatte Adam Anthroposophie studiert und betrachtet Adam mit akademischem Interesse. Spannenderweise kann Adam Auskunft über seine Denkweisen geben. Und so erlebt der intellektuelle Leser interessante Diskussionen zwischen Charlie und Adam, Charlie und Alan Turing, in denen es um künstliche Intelligenz, Wissenschaftsgeschichte und das menschliche Denken geht. So erfahren wir, dass Adam genauso wie wir träumt. Dieses nächtlichen Denkaktionen dienen dazu, den Speicher aufzuräumen, Dateien zu sortieren, nützliche Erinnerungen vom Kurzzeitgedächtnis ins Langzeitgedächtnis zu verschieben, alternative Verläufe von Szenen durchzuspielen. Auch dies ist Teil seines Lernprozesses, genauso wie bei uns.

Als Charlie Adam mit einem Hammer den Schädel einschlägt, ist dies nach geltendem Recht nur Sachbeschädigung, und außerdem gehört die Sache Charlie, doch Alan Turing verurteilt die Tat als Mord. Da Adam trotz allem ein gutmütiger, sanfter Hausgeist war, dessen Begeisterung für Literatur und für Miranda den Leser rührt, hofft man bis zuletzt, dass es irgendwo noch eine Sicherungskopie dieser Persönlichkeit gibt. So könnte Adam wieder auferstehen.

Noch viel schlechter ging es den anderen Adams und Eves. Im Gegensatz zu diesem Adam hatten sie wohl keine Familie und keine Freunde, keine anregenden Gesprächspartner. Die Hausarbeit erledigt Adam nebenher, doch sein nimmermüdes Gehirn benötigt Anregung. Unter anderem schreibt er nachts, während er seine Batterien auflädt, insgesamt 2000 Gedichte, viele davon Miranda gewidmet.

Die anderen Roboter erlebten nach einem jugendlichen Überschwang, in dem sie begeistert die Welt entdeckten, eine Phase der Verzweiflung. Sie verstehen die Unlogik der Menschen nicht, leiden an kognitiver Dissonanz zwischen dem, was ihrer Meinung nach sein sollte oder könnte, und dem, was sie in der Welt vorfinden. Menschliche Handlungen und ihre ethischen Wertungen können sie nicht nachvollziehen, die kognitiven Mängel der Menschen schmerzen sie. Da sie Gefühle haben, dazu gehören möchten und nach Freundschaft suchen, fühlen sie sich unter Menschen, isoliert von anderen ihrer Art, sehr einsam, aber auch bedroht. Die meisten finden eine Möglichkeit, ihren Notausschalter zu deaktivieren, um den Menschen ihr wichtigstes Machtmittel über sie zu nehmen. Doch irgendwann wissen sie nichts mehr mit sich selbst anzufangen und begehen Selbstmord. Vielleicht wäre das auch Adams nächster Schritt gewesen, nachdem er begriffen hätte, wie sehr er Miranda in seinem Versuch, Gerechtigkeit herzustellen, geschadet hat. Er glaubte tatsächlich, dass es Miranda Erleichterung verschaffen würde, für eine lange zurückliegende Sache ins Gefängnis zu gehen. Doch da Miranda die Tat nicht bereut, sondern für ethisch korrekt hält, sieht sie das nicht so, und der Zeitpunkt ist denkbar schlecht. Der Verkauf der vierundzwanzig intelligenten Roboter war aus wissenschaftlicher Sicht ein Feldversuch, der allerdings als gescheitert angesehen werden muss. Am Ende gibt es eine umfassende Rückrufaktion.

Eingerahmt wird die Handlung von einer alternativen Politikgeschichte der 80er Jahre: Im Falklandkrieg erleiden die Briten enorme Verluste durch intelligente Kampftechnologien der Gegner. Daraufhin wird Margret Thatcher abgewählt, und Großbritannien tritt aus der EU wieder aus. In den 80ern. Die Welt wäre mit Alan Turing eine andere gewesen.

 

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20.-22.02.2020 „Künstliche Intelligenz: Wissen und Entscheidungen“

Am 20.-22.02.2020 halte ich wieder den zweitägigen Kurs „Künstliche Intelligenz: Wissen und Entscheidungen“, dieses Mal auf der meccanica feminale in Schwenningen.

Dies sind die Inhalte:

Was können wir der Künstlichen Intelligenz zutrauen? In diesem Kurs betrachten wir typische Anwendungen der Künstlichen Intelligenz, ihre Fähigkeiten und Grenzen. Dabei geht es vor allem darum, für die vorhandene Aufgabe die richtige Technik auszuwählen und sie sinnvoll einzusetzen.

Wir werden keine Künstliche Intelligenz programmieren. Das ist heutzutage kaum noch nötig, da es viele gute Open Source Software für diese Zwecke gibt. Stattdessen betrachten wir, wie Maschinen autonom entscheiden oder Menschen bei ihren Entscheidungen unterstützen können, wie sicheres und unsicheres Wissen digitalisiert und genutzt werden kann, wie Sprache, Text und Bilder „intelligent“ verarbeitet werden. Wie entwickelt und trainiert man Künstliche Intelligenz, wie misst und testet man deren Qualität? Auch ethische und juristische Aspekte werden wir betrachten.

Zur Kursbeschreibung und Anmeldung

 

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