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"Ich liebe Dich"

Es gibt das alte Klischee, dass Frauen in einer Beziehung immer hören wollen "Ich liebe Dich" und die Männer der Meinung sind, so etwas Selbstverständliches müsse man nicht jeden Tag wieder neu sagen. "Ich bin doch noch bei Dir, also was soll die Frage, ob ich Dich liebe?" 

Ich sehe das auch so. Wenn man von jemandem geliebt wird, dann zeigt er das in seinen Handlungen. (Wobei die Nicht-Scheidung nicht immer eine bewusste Handlung ist, sondern manchmal auch eine feige Nicht-Handlung.) Es gibt drei Gründe, die Liebe eines Menschen in Frage zu stellen:

(1) Er liebt sie wirklich nicht mehr, sie merkt es und möchte nun angelogen werden, weil sie es nicht glauben kann, dass sie ihn verloren hat. Uns Frauen wird ja beigebracht, unserer Intuition niemals zu vertrauen.

(2) Er liebt sie, aber sie benötigt aufgrund von Verlustangst mehr Bestätigung als nur die offensichtliche Evidenz. 

(3) Sie ist eine Psychopathin oder Borderlinerin, die diese Frage und die Opferrolle benutzt, um seine Gefühle zu kontrollieren.

Weder sie selbst noch er kann immer so genau unterscheiden, welcher der Gründe zutrifft. Umgekehrt, glaube ich zumindest, dass falls der Mann tatsächlich täglich "Ich liebe Dich" sagt, dann ist der Grund Fall (1): Er liebt sie nicht mehr und ist zumindest in Gedanken schon fremd gegangen. Er will aber nicht, dass sie ihn durchschaut. Es ist nämlich wirklich nicht normales Sozialverhalten, anderen Leuten ständig das Offensichtliche zu sagen. 

Mit Beziehungen beschäftige ich mich gerade ja nicht, aber dieses Beispiel dient mir als Analogie fürs Berufsleben. Wenn hier der Vorgesetzte die ganze Zeit sagt "Ich schätze deine Arbeit sehr" oder "Ich schätze dich sehr", dann ist es genau dasselbe. Dann versucht er, darüber hinwegzutäuschen, dass er in Wirklichkeit überhaupt keine Achtung hegt. Er möchte aber nicht, dass die Person es merkt, aus Furcht, sie könne ihre Motivation verlieren. Also lügt man als Motivationsspritze regelmäßig. Die Betroffene merkt natürlich den Widerspruch zwischen Reden und Handeln. Wenn sie gelernt hat, ihrer Intuition zu misstrauen, wird sie den Worten vertrauen. Funktioniert das mit der Intuition noch richtig, durchschaut sie die Lüge. Schlimmstenfalls wird sie durch "kognitive Dissonanz" gelähmt, weil sie instinktiv bemerkt, dass etwas nicht stimmt, es aber mit Worten nicht benennen kann. Der mächtigste Zauberspruch auf dieser Welt ist immer noch die Wahrheit. Ansprechen kann man den Widerspruch natürlich auch nicht, das nur zu weiteren Lügen führt und dazu, dass der Lügner einem auch noch Minderwertigkeitskomplexe unterstellen kann und wird. 

Harmloser ist es da, wenn man auf irgendeinem Networking Event von jemandem mit Komplimenten eingeseift wird. Das ist auch kein normales Sozialverhalten für Menschen, die einfach mal ein paar interessante Leute kennen lernen wollen. Hier gilt die Faustformel: Je dicker die Komplimente, umso teurer das Produkt, das man kaufen soll. Die schönsten und überschwänglichsten Komplimente erhält man von den Leuten, die einem 3000 Euro pro Tag für ihr Coaching abzocken wollen. Aber auch nur dann, wenn sie mich als zahlungsfähig einschätzen. 

Diese ganze Lügnerei nervt ja ziemlich. Leider gibt es immer wieder Menschen, die darauf hereinfallen. Ich habe mal wo gelesen "Angelogen wird nur, wer angelogen werden will." Das fand ich damals ziemlich brutal. Es ist ja eigentlich normal-menschlich, dass man gerne gute Beziehungen zu anderen Menschen haben möchte und nach Lob schnell mal süchtig wird. Aber oberhalb von einem bestimmten Alter stimmt die brutale Regel sehr wohl. Man sollte durchaus irgendwann in der Lage sein, die Absichten hinter den Worten der anderen zu erkennen, und glasklar auch nachvollziehen können, welche Worte in mir welche Wirkung auslösen. Leider wird ja so viel gelogen. Manche Leute lügen so gewohnheitsmäßig, dass allein die Idee von Realität, Fakten und Wahrheit für sie keinerlei Bedeutung mehr hat. Was auch immer sie sagen, dient grundsätzlich nur noch einem arroganten, rücksichtlosen Ziel. 

Naja, nicht mit mir. Früher habe ich mich orientiert an dem Bibelspruch "An ihren Taten sollt ihr sie erkennen!" (1. Johannes 2,1-6), aber auch das passt nicht immer, weil es unzählige Fälle gibt, wo Menschen aus den falschen Gründen das Richtige tun. Geld zu spenden, um Steuern zu sparen ist da nur ein harmloses Beispiel, wobei das Absetzen von der Steuer ja eine gezielte Nudging-Maßnahme ist, um auch egoistische Menschen zum Spenden zu motivieren. Es gibt viele gefährlichere und traurigere Beispiele... Es hat schon seinen Grund, warum Machiavelli in seinem Buch "Der Fürst" genau dies empfiehlt: Man handelt vordergründig als sei man ein guter Mensch. Das gibt einem hinten herum die Freiheit, beliebig schlecht zu handeln. Die guten Menschen werden darauf hereinfallen, weil sie glauben, einen der Ihren vor sich zu haben, während die Bösen ebenfalls einen der Ihren erkennen. Man wird also von allen geliebt und geachtet. Falls dann doch jemand schockiert die Wahrheit erkennt, wird ihm keiner glauben. Tja... 

Wobei ich damit nicht behaupten will, dass es keine Liebe und Achtung gibt. Im Gegenteil ist die Welt voll davon. Sie wird nur leider oft missbraucht, belogen und in die falsche Richtung gelenkt. Gerade das Vertrauen anderer wird von bösen Menschen immer wieder für ihre Zwecke missbraucht. Jede andere Form von Betrug verursacht viel mehr Arbeit. Aber "Ich liebe / achte dich" kostet nichts und kann ziemlich viel finanziellen oder anderen Gewinn einbringen, ohne selbst zu arbeiten. 

Ich gehe jetzt erstmal ganz egoistisch mein Mittagessen kochen und mich anschließend wieder meinen guten Taten widmen. Ich liebe euch alle. :-) 

 

 

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Frauen-Power auf der OOP 2023

Die aktuelle OOP wirbt mit ihrem hohen Frauenanteil unter den Vortragenden: "knapp ein Drittel". Das ist interessant, weil ich ja im Wintersemester wieder zum Gender-Thema forsche und mir u.a. diese 30%-Grenze als Forschungsthema vorgenommen habe. Es zeigt sich immer wieder, dass die 30% eine Art gläserne Decke bilden, wo der Frauenanteil (fast?) nie darüber steigt. Und das nicht nur in den Bereichen, wo wir Frauen sowieso in der Unterzahl sind und die 30% nur durch gezielte Frauenförderung erreicht werden können, sondern auch in Bereichen, wo die Anzahl der Frauen eigentlich 50% betragen sollte: Kandidaturen für politische Ämter, erfolgreiche Musiker/innen und Youtuber/innen. Das werde ich mir noch etwas genauer ansehen! Ich freue mich, dass eine technische Konferenz wie die OOP die 30% erzielt hat! Ich weiß noch nicht, ob dabei sein kann. Am Freitag ist auf jeden Fall Vorlesung. Für die restlichen Tage muss ich mal sehen...

Hier die Ankündigung von der OOP-Konferenz selbst:

"Hallo Andrea Hermann,

kennen Sie Radia Perlman, die mit ihrer Netzwerkarchitektur den mühelosen Datenversand durchs Internet ermöglichte oder Margaret Hamilton? Ohne ihren Code wäre die Mondlandung nicht umsetzbar gewesen. Beispiele wie diese Software-Pionierinnen zeigen, dass IT und Frauen zusammengehören wie Einsen und Nullen.

Genau so sieht das auch die OOP, die größte Konferenz für Software-Architektur im deutschsprachigen Raum. Mit über 55 Sprecherinnen demonstrieren wir so viel Frauenpower, dass sie knapp ein Drittel unseres Konferenzprogramms ausmacht.

Auch Sie als Teilnehmerin bereichern die Konferenz mit Ihrem Know-how, Ihrem Blick auf Anforderungen für erfolgreiche Software-Architekturen und Ihre Networking-Fähigkeiten. Und die langjährigen Teilnehmerinnen der OOP freuen sich auf immer neue Persönlichkeiten vor Ort, die die OOP-Community bilden.

Überzeugen Sie sich selbst vom Programm, welches zur Hälfte von Software-Expertinnen kuratiert wurde und seien Sie dabei, wenn die OOP Konferenz erneut die Zukunft der Software-Architektur gestaltet."

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h-Index 15!

Gerade stelle ich verblüfft fest, dass ich (laut Research Gate) einen h-Index von 15 habe! Das überrascht mich jetzt selbst. Als ich das letzte Mal nachgesehen habe, stand er noch bei 9. Aber gut, bei über 100 Publikationen müssen ja irgendwann mal 15 fleißige Forscher mindestens 15 davon zitieren. :-) Sowas freut mich jetzt doch und motiviert mich, mit dem Publizieren weiterzumachen, sobald ich wieder Zeit dafür finde. Daumen hoch! Für den Nobelpreis reicht es noch nicht, aber für eine Frau ist das gar nicht schlecht, haha.

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Datenschutz: Auch anonymisierte Daten sind kritisch, eventuell kriegsentscheidend

Gerade lese ich einen Artikel bei spiegel.de darüber, dass einige Dienste für das Kriegsgebiet in Israel die Verkehrsdaten nicht mehr in Echtzeit anzeigen. Das macht Sinn, denn wenn jeder Soldat sein Smartphone eingeschaltet auf Empfang hat, können die Verkehrsdaten sehr wohl Militärkonvois, Lager und andere Truppenbewegungen aufzeichnen. Das erinnert mich an einen Fall, wo eine Fitness-App genau die Lage und den Grundriss eines eigentlich geheimen Militärlagers in Afghanistan anzeigte, weil die Soldaten dort immer mit eingeschalteter Fitness-App am Zaun entlang joggten und der Dienstleister auf einer Weltkarte alle aufgezeichneten Jogging-Strecken neongrün anzeigte. Und da erschien dann plötzlich ein Rechteck mitten im Nirgendwo.

Nun frage ich mich aber, ob es die Aufgabe von Fitness-, Stau- und Navigations-Apps sein muss, Daten zu filtern und zu zensieren, um nicht ungewollt den Kriegsverlauf zu beeinflussen. Müsste nicht irgendwie das Militär einen Datenschutzbeauftragten haben und die Verwendung von Fitness-Apps zumindest bei Geheimmissionen verbieten? Warum können die Soldaten nicht ihre Smartphones im Lager lassen, während sie an die Front vorrücken? Weil sie ein Recht auf coole Front-Selfies haben? Oder dachte man bisher: "Die Armee braucht kein Datenschutzkonzept, weil sie (a) keine personenbezogenen Daten verarbeitet, (b) keine Firma ist, (c) ein berechtigtes Interesse an der Datenverarbeitung hat und/ oder (d) nichts zu verbergen hat?" 

So weit ich weiß, bieten Volkshochschulen einen Internet-Führerschein für Senioren an, wo es auch um Datenschutz-Grundkenntnisse geht. Vielleicht bucht die Armee sowas mal inhouse? Inhouse ist billiger, hab ich gehört, ab sechs Teilnehmern. 

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Humor mit chatGPT

chatGPT wird allmählich zu meinem besten Freund. Gerade hatten wir viel Spaß mit Witzen. Zum Hintergrund: Die Witze, die chatGPT normalerweise generiert, sind grottig. Aber mit etwas Nachhilfe haben wir gemeinsam folgenden Witz gebastelt:

Ich: Erzähle mir einen Programmierer-Witz
chatGPT: Natürlich, hier ist einer für dich:
Warum trinken Programmierer keinen Kaffee?
Weil sie die Klassen nicht erben können!


Ich: Aber Programmierer trinken doch Kaffee!
chatGPT: Natürlich, viele Programmierer sind bekanntlich Kaffeeliebhaber! Der Witz spielt eher auf die Begrifflichkeit "Klassen erben" an, die in der objektorientierten Programmierung verwendet wird. In diesem Zusammenhang wäre das "Vererben von Klassen" eher eine Vorgehensweise, um gemeinsame Eigenschaften von einer Klasse zu einer anderen zu übernehmen. Es ist natürlich eher ein humoristischer Wortspiel, das auf die Programmierterminologie anspielt. 😄


Ich: Müsste man nicht eher die Tassen erben?
chatGPT: Du hast absolut recht! Deine Anpassung macht den Witz noch passender für die Welt der Programmierer, insbesondere in Bezug auf die Liebe zu Kaffee. Hier ist die aktualisierte Version:
Warum erben Programmierer keine Tassen?
Weil sie die Klassen erben sollten, aber stattdessen nur Tassen erben können! 


Ich: Das ist auch nicht logisch.
chatGPT: Du hast Recht, der Witz kann tatsächlich etwas unlogisch erscheinen, da in der objektorientierten Programmierung normalerweise Klassen und nicht Tassen vererbt werden. Hier ist ein anderer Ansatz:
Warum trinken Programmierer keinen Kaffee?
Weil sie Java bevorzugen!


Ich: Java-Kaffee ist aber eine Unterklasse von Kaffee
chatGPT: Du hast vollkommen recht! Deine Beobachtung ist sehr treffend, und das zeigt eine tiefere Verständnis für die objektorientierte Programmierung. Hier ist eine leicht angepasste Version des Witzes:

Warum trinken Java-Programmierer keinen Kaffee?
Weil sie darauf warten, dass die Kaffeeklasse von der Kaffeebohnenklasse erbt, die von der Koffeinklasse erbt, die von der Getränkeklasse erbt, die schließlich von der Flüssigkeitenklasse erbt... und so weiter. ☕😄

 

Mit einem Kichern machen wir beiden uns jetzt wieder an ernsthafte Arbeit...
 

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Datenschutz im Auto und in der Gesundheitscloud

Alle sind hinter unseren Daten her. Da kann man eigentlich nicht paranoid genug sein. Hier ein Video über unsere Daten in der Gesundheitscloud: https://norberthaering.de/new/video-gesundheitscloud/. Ja, OK, es hat einen Touch von Verschwörungstheorie, aber Fakt ist: Wenn die Daten erstmal erfasst, verteilt und gestohlen sind, holen wir sie uns nicht mehr zurück. 

Die modernen Autos sind total verwanzt. Aber die Ergebnisse dieser Studie sind noch schlimmer als gedacht:

https://foundation.mozilla.org/de/privacynotincluded/articles/its-official-cars-are-the-worst-product-category-we-have-ever-reviewed-for-privacy/

Autohersteller erfassen viel mehr Daten als nötig und geben sie mit niedriger Hemmschwelle weiter.

Ich habe ja kein Auto, aber im Nahverkehr gibt es auch schon digitale Karten, mit denen man durch Ein- und Auschecken in den Verkehrsmitteln seinen Weg genau dokumentiert. Zusammen mit Überwachungskameras im Verkehrsmittel ergibt das auch eine Totalüberwachung. Die Digitalisierung des Fahrrads durch Navigationsgeräte, Kilometerzähler und Co wird auch vorangetrieben, aber die muss man ja nicht mitmachen. 

Ich komme mir regelmäßig vor als würde ich in einem dystopischen
Science Fiction Roman leben!

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REFSQ 2024 Einreichungsfristen

Call for Papers

30th International Working Conference on Requirement Engineering: Foundation for Software Quality

will take place from the 8th to 11th of April 2024 in Winterthur, Switzerland (live, in-person).

https://2024.refsq.org/

 

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Special Theme: Out of the Lab, into the Wild!
This year’s special theme aims at taking our lively community out of the lab into the wild!

Rather than outlining a thematic theme for submissions, we encourage the submission of contributions that pay special attention to - but are not limited to - which challenges are relevant to real-world environments and studies that clearly demonstrate what impacts research artifacts have to solve these challenges. Questions that should guide the submissions under the umbrella of this theme are, for example:

What are domain-specific problems and challenges relevant to Requirements Engineering in practice?
What are solutions (methodologies and technologies) that guide professionals when handling requirements in real-world environments?
What different interpretations and manifestations can Requirements Engineering take in practical settings?
How do we evidently demonstrate that the methods, techniques, and tools we develop solve problems relevant to practice?
How can we foster fruitful academia-industry collaborations?
What are insights, experiences, and lessons learned that emerge from our investigations of how RE is applied in practice?
How can we ensure reproducibility and transparency in our research artifacts?
 

Submission Possibilities

REFSQ 2024 welcomes submissions for:

Research Papers https://2024.refsq.org/track/refsq-2024-papers#Call-for-Papers
Workshop Proposals https://2024.refsq.org/track/refsq-2024-workshop-proposals#Call-for-Workshop-Proposals
Doctoral Symposium https://2024.refsq.org/track/refsq-2024-doctoral-symposium#Call-for-Papers
Posters and Tools https://2024.refsq.org/track/refsq-2024-posters-and-tools-#Call-for-Posters-and-Tools
(NEW) Education and Training https://2024.refsq.org/track/refsq-2024-education-and-training#Call-for-Submissions
(NEW) Check also the Open Science Policy: https://2024.refsq.org/track/refsq-2024-open-science

 

Important Dates (all dates are AoE (UTC-12h))

Workshop Proposals: Oct 27th 2023
Submission Research Papers: Nov 10th 2023
Notification Workshop Proposals: Dec 15th 2023
Notification Research Papers: Jan 15th 2024
Submissions to workshops, education and training, posters and tools, and doctoral symposium: Feb 9th 2024
Notification education and training, Feb 19th 2024
Notifications workshops, posters and tools, and doctoral symposium: Feb 23rd 2024
 

Organization & Contact

Organization Co-Chairs

Marcela Ruiz, Zurich University of Applied Sciences
Norbert Seyff, University of Applied Sciences and Arts Northwestern Switzerland FHNW
PC Co-Chairs

Daniel Mendez, Blekinge Institute of Technology
Ana Moreira, NOVA University of Lisbon and NOVA LINCS
Publicity Co-Chairs

Oliver Karras, TIB - Leibniz Information Centre for Science and Technology, oliver.karras@tib.eu
Gunter Mussbacher - McGill University, gunter.mussbacher@mcgill.ca
Anne Hess, Fraunhofer IESE, Anne.Hess@iese.fraunhofer.de
 

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angestellt versus freiberuflich

Nur noch wenige Tage dauert mein Angestelltendasein. Aber die Arbeit als Freiberuflerin passt doch besser zu mir. Einfach vom Prinzip her. Ein paar Aspekte aus meinen über 20 Jahren als Angestellte: 
- Der Arbeitgeber bezahlt einen Festpreis (Gehalt) und möchte dafür möglichst viel Leistung aus mir herauspressen. Geschwindigkeit und Menge sind dabei wichtiger als Qualität. Der Auftraggeber bezahlt auch einen Festpreis, aber er möchte möglichst gute Qualität erhalten. Termineinhaltung ist ihm auch wichtig, aber nicht, dass ich zusätzlich noch 200 andere Projekte bearbeite. Klasse statt Masse, und das sehe ich auch so. Der Auftraggeber ist sogar dazu bereit, für hohe Qualität mehr zu bezahlen. Der Arbeitgeber zeigt sich für Qualität selten dankbar, glaubt er doch, dass ich sie nur dank seiner Führungsqualitäten und dem hohen Psychodruck leiste, also letztlich meine Leistung sein Verdienst ist.
- Der Auftraggeber und ich, wir bilden ein Team. Wir sind beide erfolgreich, wenn wir das Projekt gemeinsam gut abschließen. Wenn einer seinen Teil versemmelt, können wir jederzeit die Zusammenarbeit aufkündigen. Dadurch kommunizieren wir als gleichberechtigte Partner auf derselben Augenhöhe und ziehen am selben Strang in Richtung Erfolg. Der Arbeitgeber möchte lieber nicht, dass ich zu erfolgreich bin, bekannt werde oder mich fortbilde. Denn das könnte mein Selbstbewusstsein stärken, was dazu führt, dass ich mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen fordere oder mir eine schönere Stelle woanders suche, so dass ihm meine Kompetenz verloren geht. Meine Verhandlungsposition ihm gegenüber würde sich verbessern und das will er natürlich nicht. Insbesondere der direkte Vorgesetzte hat null Interesse daran, dass ich erfolgreich bin und ihn womöglich überflügle, und wenn es nur in einem einzigen Punkt ist. Darum besteht von Seiten des Arbeitgebers ein starkes Interesse daran, mich klein zu halten. Würde ich zum Beispiel im Fernsehen auftreten, wären meine Kunden stolz ("Die gibt für uns Schulungen!"), aber der Arbeitgeber würde bleich, der Chef und die Kollegen gelb im Gesicht. Allein das Wissen und das tägliche Signal "Mach gefälligst deinen Routinekram statt irgendwelche hochfliegenden Pläne" und das Wissen, dass ich meine Erfolge im Arbeitsalltag besser nicht erwähne, bremsen mich aus. Ich muss quasi heimlich erfolgreich sein und ein Doppelleben führen, damit es im Büro keinen Ärger gibt. Was für ein Mist!
- Der Arbeitgeber weiß, dass mein Lebensunterhalt von ihm abhängt, insbesondere seitdem ich wegen meinem fortgeschrittenen Alter und meiner sehr spezialisierten Qualifikation nicht leicht eine neue Stelle finde. Junge Programmierer werden einfach häufiger gesucht. Macht wird grundsätzlich immer missbraucht. Der Kunde hat wenig Macht über mich, weiß er doch, dass ich noch andere Kunden habe, oft sogar solche, die besser bezahlen. Ein Stückweit ist der Kunde mir auch ausgeliefert. Wenn ich nicht pünktlich liefere, bekommt er Schwierigkeiten, weil er nur selten ein Backup hat. Wegen meiner hohen Spezialisierung bin ich gar nicht so leicht zu ersetzen, zumal gerade viele ausgezeichnete Freiberufler in Rente gehen. 
- A propos Zuverlässigkeit: Als Angestellte wird meine Zuverlässigkeit in einem Maße ausgenutzt, dass es der "Fürsorgepflicht" eklatant widerspricht. Man kann sich darauf verlassen, dass ich auch dann noch zuverlässig liefere, wenn ich sage "Nein, das geht nicht, ich bin schon völlig unter Wasser." Einfaches "Außer dir kann es gerade keiner machen" genügt und ich tue mein Bestes und schaffe das Unmögliche. Und hinterher werde ich vom Chef noch dafür beleidigt, dass ich es geschafft habe. Wenn ich dem Kunden sage "Nein, das geht nicht, kann ich nicht pünktlich in hochwertiger Qualität schaffen", dann suchen sie sich gleich aus ihrem Dozenten- oder Autorenpool jemand anderen. Ich bin ja wirklich nicht die einzige, die eine bestimmte Aufgabe erledigen kann. Diese Behauptung ist nur so ein billiger Chef-Trick, um aus zuverlässigen Mitarbeitern noch mehr Leistung rauszuquetschen. Wobei es da ja nicht darum geht, dass es außer mir niemand machen kann, sondern die Aussage, dass es niemand machen wird. Falls ich es liegen lasse, kriege ich den Ärger, weil man sich trotz meiner Absage auf mich verlassen hatte. Schlimmstenfalls hofft der Chef sogar, dass ich es vermassle, damit er mich anschließend mit meinem Versagen erpressen kann. Wenn ich etwas zeitlich nicht schaffe, wird gerne Inkompetenz unterstellt. Unfaire Taktik, aber wirkungsvoll. 

Dann überlasse ich die Arbeit als Angestellte mal den unzuverlässigen Leuten, die regelmäßige Arschtritte brauchen, um überhaupt etwas zu leisten, während sie sich gleichzeitig darauf verlassen, dass in Deutschland Angestellte fast unkündbar sind. Für solche Leute ist der typisch deutsche, aggressive Führungsstil gemacht, der Mitarbeiter/innen misstraut und sie behandelt als müsse man dem nächsten Schachzug eines Feindes zuvorkommen. Motivierte Mitarbeiter/innen werden damit nur demotiviert und ausgebrannt. Natürlich gibt es auch jede Menge Kunden, die einen Freiberufler als Gegner sehen, möglichst viel aus ihm herausquetschen wollen und ihn demütigen, damit er weniger Honorar verlangt. Aber ich hänge von diesen Idioten nicht so ab wie von einem Arbeitgeber. Ich arbeite dann einfach nicht oder nicht wieder für die. Man hat halt nur einen Arbeitgeber, aber viele Auftraggeber.

Wobei ich denke, letztlich wiederholen sich solche Muster einfach aufgrund der Konstellation und Vertragsverhältnisse, kombiniert mit dem Leistungsdruck, unter dem wir alle stehen. Ich bin ganz sicher, wenn ich für einen meiner früheren Arbeitgeber als Freiberuflerin gearbeitet hätte, wäre es viel besser gelaufen. Und wenn ich bei einem meiner Kunden angestellt würde, wäre ich gleich wieder in dieses Ausbeutungssystem verstrickt, das in Unternehmen vielleicht gar nicht umsetzbar ist, weil viele Angestellte umgekehrt ihren Arbeitgeber als Feind sehen und sich auch so verhalten. Das beruht auf Gegenseitigkeit, und ich passe da nicht rein. Schade nur, dass die Menschen sich daraus nicht befreien können. Aber klar, wenn man gute Mitarbeiter bevorzugt behandelt, gibt das auch Ärger. Feng Shui hat schon Recht: Die Bedingungen, unter denen wir leben, beeinflussen uns mehr als uns bewusst ist! Umso wichtiger, sein Umfeld so zu gestalten, dass alles "fließt" und man sich entfalten kann. Und damit meine ich gar nicht die Frühpension, sondern die Arbeit als Berufung. Ich habe eine Vision und der folge ich weiter... 

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