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Nerd-Klischee schreckt Mädchen vom Informatikstudium ab?

Mal wieder hat eine Studie ergeben, dass das Nerd-Klischee des Informatikers abschreckend wirkt und darum Mädchen nicht Informatik studieren wollen. Ich halte diese Interpretation für verharmlosend. Von der Gender-Forschung wird das Problem gerne so dargstellt als seien wir in unserer Kindheit falsch geprägt worden und halten darum seitdem an veralteten Vorstellungen fest, die unsere Handlungsmöglichkeiten einschränken. Ein begabtes Mädchen studiert nicht Informatik, obwohl dies sie später glücklich machen würde.

Das ist aber falsch! Die jungen Frauen sind beim Schulabschluss alt genug, um ganz richtig zu wissen, wie unsere Gesellschaft funktioniert. Die Aversion unserer Gesellschaft gegenüber intelligenten, kompetenten Frauen ist nach wie vor enorm. Nicht mal Journalisten sind davor gefeit und berichten höhnischer und unfairer über kompetente Politikerinnen als über deren männlichen Kollegen. Ich selbst kann zahllose Geschichten über Diskriminierung und Misogynie erzählen, wo mir mein Gegenüber ganz offen gestand, dass er Frauen für minderwertig hält und dass F-rauen in der Informatik, auf der Professorenstelle oder in gut bezahlten Jobs nichts zu suchen haben. Diese Leute müssen ihre Meinung nicht verstecken, weil sie wissen, dass die gesamte Gesellschaft hinter ihnen steht.

Bei einem Date sagte mir mal ein Mann, er fände es gut, dass ich Informatikerin bin. Dann könne er sicher sein, dass ich keine Gefühle von ihm erwarte. Ähm, ja, genau... Ich bin eine Maschine, alles klar. Als ich ihn über sein Missverständnis aufklärte, war das Date vorbei. Umgekehrt brechen die meisten Männer, die auch nur vage Interesse an mir haben, sofort den Kontakt ab, wenn sie erfahren, was ich beruflich mache. Übrig bleiben die Informatiker. Grundsätzlich habe ich nichts gegen Nerds, bin ja selbst einer. Aber die Informatiker nehmen sich als Frau auch lieber eine Kindergärtnrin, die ihn selbst für mittelmäßige technische Kenntnisse wie einen Gott bewundert. Ich bin ja eher so der Typ Frau, der auch mal Fragen stellt...

Ich sehe da drei Probleme, die alle drei nicht sein müssten:

  • Informatiker(innen) gelten als Nerds. Es ist zwar richtig, dass Nerds gerne Informatik studieren (aber auch Mathematik, Physik oder Philosophie). Daraus folgt jedoch nicht die umgekehrte Schlussfolgerung. Im Gegenteil gilt Informatik als ein Studienfach, das Jobsicherheit und hohe Gehälter garantiert, während es gleichzeitig einfacher ist als Maschinenbau oder Elektrotechnik. Darum sind die heutigen jungen Informatiker/innen nur zu einem kleinen Anteil die typischen Computernerds.
  • Nerds gelten als sozial gestört. Auch hier: Intelligente Autisten sind zwar klassische Nerds, aber es gibt auch emotional normale Menschen, die sich gerne in die Programmierung versenken wie in ein spannendes Spiel oder besonders kniffliges Rätsel. Ich habe mich jedenfalls dem Programmieren zugewendet, als mir die Kreuzworträtsel in der Zeitung und die Mathehausaufgaben zu langweilig wurden. Nerds werden verachtet. Dabei sind es die Nerds, die das Internet am Laufen halten, im Cyberwar unsere Freiheit verteidigen und überhaupt eine Menge Leistung erbringen, die genusssüchtige, unkonzentrierte, oberflächliche Menschen gar nicht leisten können, weil sie bei der Arbeit im Internet surfen, prokrastinieren und ständig auf die Uhr sehen, wann sie endlich heim dürfen. Nach meiner Definition ist ein Nerd etwas Positives: jemand, der sich hoch konzentriert in komplexe Themen versenken kann, der den Dingen auf den Grund geht und deshalb leider ein paar andere Lebensbereiche vernachlässigt. Unter der Einsamkeit im stillen Kämmerchen leidet dann auch gerne die Körpersprache, das Allgemeinwissen bezüglich aktueller Musiktrends oder das Wissen über gesellschaftlich Gepflogenheiten. Aus Verantwortungsbewusstsein, Missionsempfinden oder einfach nur Spaß an der Hausforderung. Edward Snodwen und Julian Assange sind für mich ganz typische Nerds, die sich wegen ihrer Mission vom normalen Leben verabschiedet haben. Der normale Nerd ist vielleicht eher jemand, der die Nacht an der Uni verbringt, um eine neue Verschlüsselungstechnik zu entwickeln. Das ist doch genauso ehrenwert.
  • Kompetente Frauen sind ein Tabu, wecken Aggressionen. Während der männliche Nerd noch nachsichtig belächelt und um Rat gefragt wird, erlebt der weibliche Nerd (die Nerdin?) Hass und Isolation. Das darf ja wohl nicht sein! (Übrigens erreiche ich im Psychotest bei Verträglichkeit einen sehr, sehr hohen Wert. Daran liegt's also nicht.)

 

Kurz und gut: Was ist falsch am Nerd? Die Zukunft braucht Nerds. Gerade höre ich "TIME*OUT" von Eschbach als Hörbuch. Der junge Hacker Christopher, genannt Computer-Kid, wirkt auf mich erfreulich sympathisch, ist aber ein typischer Nerd. In Computerthemen wird er von den Erwachsenen um Rat gefragt, in Liebesdingen ist er eher ungeschickt. Seine Freundin muss ihm ausdrücklich sagen, was sie von ihm erwartet. Aber ist doch nicht schlimm. :-) Das Image des Nerds sollte aufgewertet werden, danke Herr Eschbach. Jetzt braucht die Literatur auch noch sympathische Nerdinnen.

Andrea Herrmann

 

 

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Hoppla, das Internet ist weg!

So, jetzt isses passiert. Das Internet ist zu 2/3 weg. Ich hatte gerade noch einen Online-Kurs gehalten und zwei Nacharbeiten gemacht, danach wollte ich noch ein paar Mails schreiben... aber nix. Gmx weg, alle anderen Mailboxen auch nicht erreichbar, die Hälfte der Unis offline, Wikipedia, Amazon, Ebay, Post, Bahn, meine eigenen Webseiten, alles weg! Tauschticket gibt es noch und unsere Stadtbücherei. Mein Blog auch. Bin mal gespannt, was sie im Radio darüber sagen...

Ich sags doch immer: Diese Welt ist ein schlechter Science Fiction Roman!

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Der Berater - die eierlegende Wollmilchsau?

Gerade erschien ein Artikel von mir über das Aufgabenspektrum des Beraters im t2informatik-Blog.

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Wissenschaftlerinnen auf Geographie-Konferenzen

Vor Jahren habe ich mal die Frauenanteile auf Informatik-Konfrenzen analysiert und dabei festgestellt, dass Frauen als Vortragende unterrepräsentiert sind:

Andrea Herrmann (2014) Wissenschaftlerinnen auf Informatikkonferenzen. Informatik-Spektrum, Online September 2014, gedruckt Februar 2016, Volume 39, Issue 1, S. 38-56, DOI 10.1007/s00287-014-0839-8

 

Nun gab es eine ähnliche Studie für eine Geographie-Konferenz. Hier waren die Frauen bei den Besuchern und Vortragenden fast zu 50 % vertreten (je 47% und 46 %). Unterschiede gab es jedoch trotzdem: Die Vorträge der Männer waren besser besucht als die der Frauen. Die männlichen Vortragenden überzogen ihre Redezeit häufiger und auch länger. Auch die Diskussionen wurden von den Männern dominiert. Sie meldeten sich häufiger zu Wort und redeten länger.

 

Vielleicht sollte ich mir auch mal Informatik-Konferenzen etwas genauer ansehen... Teinehmerzahl im Raum, Redezeit, Wortbeiträge zur Diskussion ...

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