Die Corona-Infektionen sind teuer fürs Gesundheitssystem. Manche Branchen machen gerade gar keine Umsätze.
Trotzdem frage ich mich, ob es nötig ist, Milliarden an Euro "neu zu drucken" und durch diese Subventionen eine Inflation oder sogar den finanziellen Kollaps der EU auszulösen. Grundsätzlich sollten Unternehmen, Versicherungen und Privathaushalte Rücklagen für Krisen bilden. Risiken, Naturkatastrophen und "höhere Gewalt" gehören zum Leben dazu. Der Staat muss nicht jeden Schicksalsschlag abfedern und jede marode Firma retten. Niemand ist dazu verpflichtet oder dazu fähig, uns makellose Sicherheit zu verschaffen.
Als Freiberufler gehört das Auf und Ab zu meinem Leben. Darum treffen mich die aktuellen Verwerfungen emotional wohl am wenigsten. Mancher Festangestellte meinte schon, alles viel richtiger gemacht zu haben als ich. Nun stellt es sich heraus, dass ihre Sicherheit nur eine scheinbare war. Es gibt keine Sicherheit, keine Garantie dafür, dass alles so weitergeht, wie wir uns das für den Idealfall erhoffen. In komplexen Systemen ist der Idealfall sogar eher unwahrscheinlich.
Ich verstehe, dass jetzt alle ganz schrecklich jammern müssen. Wer in der Demokratie am lautesten jammert, bekommt die meisten Subventionen vom Staat. Das ist Strategie. Bloß sehe ich die Gefahr, dass dieses Jammern die Stimmung verdirbt.
Im Vergleich zu dem, was hätte passieren können, ist relativ wenig passiert. Natürlich hat die Regierung die Maßnahmen angeordnet und ist dafür verantwortlich. Der Virus selbst ist jedoch "höhere Gewalt", und die hätte uns ganz anders gebeutelt, ohne diese Schutzmaßnahmen. Tatsächlich haben zahlreiche Unternehmen bereits Dienstreisen und Besprechungen mit externen Besuchern abgesagt und verboten, bevor die Regierungen dies taten - zum Schutz ihrer Mitarbeiter/innen, also zu ihrem eigenen Wohl und im eigenen Interesse, weil eine Kosten-Nutzen-Rechnung ergab, dass es so besser ist.
Die Anti-Corona-Einschränkungen haben den meisten Unternehmen und Privatpersonen mehr Nutzen als Schaden gebracht. Firmen sparen Stromkosten, Clopapier, Reisekosten und die Kosten für das Desinfizieren ganzer Gebäudeteile, falls dort die Seuche gehaust hätte. Die Mitarbeiter/innen sparen im Home Office Fahrtkosten und Fahrzeit und Kosten für das Kantinenessen. Darüber, dass wir uns Geld für Kinokarten, Restaurantessen, Wochenendausflüge und dergleichen gespart haben, freuen wir uns wohl weniger. Gleichzeitig haben die Hygienemaßnahmen unserer Gesundheit doch gut getan. Außer Corona sind uns noch weitere Infektionskrankheiten erspart geblieben, außerdem Sportunfälle und andere Missgeschicke, die einem unterwegs passieren. In den Arztpraxen ist es gerade so leer wie sonst nie. Ich habe mich sogar gefragt, ob wir nun nebenbei die eine oder andere ansteckende Krankheit ganz ausgerottet haben. Wäre schön.
Natürlich gibt es eine Vielzahl an Branchen, die unerträglich gelitten hat. Der Künstler, der sowieso schon immer von der Hand in den Mund lebt und von dem Auftrittshonorar von gestern Abend am Morgen seine Miete bezahlt, den hat es jetzt natürlich böse erwischt. Ich persönlich hätte aber kein Problem damit, das in den letzten Monaten eingesparte Geld zur Milderung dieser Folgen zu spenden. (Man könnte z. B. bei zukünftigen Kunstveranstaltungen für den Rest des Jahres zusätzlich zum Eintrittspreis noch einen freiwilligen Bonus einkassieren? Das wäre wohl die einfachste Umsetzung.)
Darum hoffe ich, dass das ganze taktische Jammern zum Eintreiben von Subventionen unseren Blick nicht vernebelt. Hurra, wir leben noch! Unsere Infrastruktur ist noch intakt, das meiste Business lief weiter. Wir haben gearbeitet, Mehrwerte geschaffen, einige Monate Entschleunigung erlebt, die Fenster geputzt, unsere Schränke entrümpelt, die Gesundheit gepflegt.
Simon Ehrlich