Vorige Woche verbrachte ich den 13. und 14. Dezember auf der Morgenstadt-Werkstatt mit ihren über 500 Teilnehmer/innen. Wie sich die Stadt(verwaltung) der Zukunft entwickelt, ist zwar nicht mein Arbeitsschwerpunkt, aber einzelne Themen aus dem Programm sind für mich sehr relevant, und mich interessierte auch das Konzept als solches, da hier Wissen vermittelt und Anforderungen erhoben wurden. Wie machen das die Kollegen?
Zahlreiche Vorträge von offizieller Seite versicherten uns der Bedeutung der Digitalisierung für die Zukunft unseres Landes.
Minister Strobl (Minister für Inneres, Migration und Digitalisierung sowie stellvertretender Ministerpräsident) verkündete, dass der Staat eben nicht alles über seine Bürger wissen möchte. Nicht alles, was gemacht werden kann, soll auch gemacht werden. Ziel ist dagegen ein "maßvolles Umsetzen der Digitalisierung". (Das klingt erfreulich nach Datenschutz.) Die KI ist die Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts und darum dürfen wir stolz sein auf das Cyber Valley in Tübingen, das weltweit führend ist im Bereich KI.
Als lobenswertes Vorbild wurde in einem Vortrag Estland genannt, wo das Erstellen der Steuererklärung drei Minuten dauert. Dieser Zeitaufwand entsteht durch den Import von Daten von Banken, Firmen und Vereinen und dadurch, dass der Betroffene immerhin die Steuererklärung noch signieren muss. Es kam auch mehrfach die Frage auf, wozu man überhaupt noch einen Antrag auf Kindergeld stellen muss, denn der Staat weiß ja, wer Kinder hat und berechtigt ist.
Bei einem halben Dutzend gleichzeitig stattfindender Workshops musste ich natürlich Schwerpunkte setzen.
Workshop "Visionärer Umgang mit Datenschutz als Wettbewerbs- und Standortvorteil". Besonders visionär wurde es im Workshop leider nicht. In zwei Kleingruppen erarbeiteten wir Antworten auf Arbeitsfragen, die wir anschließend noch durch Punktekleben priorisierten. Die eine lautete:
Was erwarten Bürger und Unternehmen von Kommunen hinsichtlich dem Umgang mit ihren Daten?
- Schutz der Daten (8 Punkte)
- Transparenz (7 Punkte)
- Datensparsamkeit (5)
- einfacher Zugriff auf die eigenen Daten, eigene Kontrolle (5)
- nützliche Funktionen, z.B. vorausgefüllte Formulare; einfacher Service (2)
- Nutzbarkeit für alle (1)
- Aktualität der Daten
- Investition in intelligente Systeme
Im Workshop "Projektmanagement in Zeiten der Digitalisierung" hätte ich mir coole, moderne Werkzeugtipps und Erfahrungen mit innovativen Vorgehen erhofft. Stattdessen blieb das Niveau niedrig. Die Teilnehmer sammelten Gedanken darüber, was sich durch die Digitalisierung im Projektmanagement ändert. Die anschließende Sammlung von Tipps an die Kollegen beschränkte sich auf Softskills wie Mut, Motivation, Moderation. Ich war die einzige "von der alten Garde", die eine klare Planung und Projektkontrolle immer noch am wichtigsten findet. Oder erst recht. Das mag ja sein, dass wir in einer VUKA-Welt leben, aber deswegen müssen wir selbst ja nicht auch noch unverbindlich und chaotisch werden!
Aufgeschrieben habe ich mir aus dem Impulsvortrag von VS Consulting:
digitalisiert -> dematerialisiert -> demonetarisiert -> demokratisiert
Interessant fand ich den Vortrag "KI für bessere Straßen" von Vialytics, den Gewinnern des Smart Startup Country Award. Ein marktübliches Handy mit Kamera, GPS und Erschütterungssensor wird vorne in einem Auto montiert und fotografiert beim Fahren die Straße. Eine KI kann automatisch die Bilder und Erschütterungen auswerten und Staßenschäden entdecken. Einsetzen kann eine Kommune diese nützliche Anwendung, wenn ihre Mitarbeiter/innen ohnehin auf Dienstfahrten unterwegs sind, oder für eine eigene "Begehung" von seltener frequentierten Straßen. Dies ist eine Art von "Predictive Maintenance", und da sie mit wenig Kosten auskommt, lohnt sie sich auf jeden Fall. Durch eine frühzeitige Reparatur der Straße können bis zu 80% der Reparaturkosten gespart werden. Bis der Bürger anruft und ein Schlagloch meldet, ist dieses nämlich normalerweise schon recht groß. Die Anwendung versetzte die Zuhörer in kreative Extase und wir malten uns aus, wo diese Anwendung noch zum Einsatz kommen könnte. Das Smartphone lässt sich bestimmt auch an einem Fahrrad montieren. Radwege sind ja auch gelegentlich in schlechtem Zustand.
Der Workshop "Mensch und KI gehen Hand in Hand" des IAO bestand teilweise aus einem Vortrag und teilweise aus Gruppendiskussionen. Zunächst wurden die Grenzen der KI klar: KI kann Aufgaben erledigen, versteht diese aber nicht. KI hat kein Bewusstsein, sie ist nicht klüger als die Datenbasis und sie entwickelt sich nicht selbständig weiter. Jedes Kind lernt schneller als eine KI. Drei Beispiele genügen, damit ein Kind einen Hund von einer Katze unterscheiden kann; die KI benötigt deutlich mehr Daten. Die Bilderkennung und Unterscheidung von Hund, Katze und anderen Tieren diente als anschauliches Beispiel, was KI kann und was eben nicht.
Anwenden lässt sich die KI trotzdem. Genannt wurde aus dem Projekt SmartAIwork das Beispiel des Chatbots @InsuranceBABot, der Schadensmeldungen entgegen nimmt. Diese Aufgabe erfüllt er mit Hilfe eines Entscheidungsbaums. Interessant ist die KI im Versicherungsbereich auch für die Bildforensik, also Betrugserkennung anhand von Fotos. Problematisch ist hier jedoch die geringe Datenmenge, da doch relativ wenige Betrugsfälle vorkommen.
Gearbeitet wird auch an einer Anwendung, die Dokumente anonymisiert, um die Anforderungen des Datenschutzes zu erfüllen. Im Energiemanagement sind treffende Prognosen über Stromerzeugung und -verbrauch hilfreich.
KI-Entscheidungen sind oft nicht transparent. Im Hinblick auf diesen Aspekt unterscheidet man drei Typen von KI-Ansätzen:
- In der White Box herrscht volle Transparenz, beispielsweise wenn man die traditionelle lineare Regession oder einen Entscheidungsbaum einsetzt.
- Die Black Box ist leider gar nicht transparent. Deep Learning verbirgt seine Geheimnisse in den zahlreichen Schichten eines neuronalen Netzes.
- Der Grey Box-Ansatz kann seine Entscheidung zwar nicht vollständig begründen, jedoch den wichtigsten Grund für eine Entscheidung nennen. Damit erhält der Mensch zumindest eine bedingte Nachvollziehbarkeit.