Die Frage, warum wir Frauen innerhalb der Informatik auf den scheinbar „einfachen“ Themen arbeiten, also im Requirements Engineering oder dem Testen eher als in der Software-Architektur oder Code-Analyse, habe ich immer noch nicht wissenschaftlich untersucht. Beim ersten Versuch, Interviewpartnerinnen zu finden (und Männer als Vergleichsgruppe), habe ich nur einen einzigen ausgefüllten Fragebogen zusammen bekommen. Ich habe mir das Thema gerade eben aber auf meinen Themenspeicher für Abschlussarbeiten geschrieben.
Aus eigener Erfahrung kann ich aber schonmal verschiedene Hypothesen herleiten. Es sind ganz sicher wie überall, wo zwischen Männern und Frauen ein Ungleichgewicht herrscht, mehrere Faktoren, die zusammen in dieselbe traditionelle Richtung ziehen: Frauen trauen sich die als schwierig geltenden Aufgaben nicht zu. Jedermann und jede Frau sagen ihnen „Das ist doch nichts für dich, das machen normalerweise Männer!“ Oder „Sowas müssen die Männer machen!“ Das ist schonmal eine Bremse, wenn man ständig entmutigt wird. Hat man zusätzlich noch eigene Zweifel, dann war das schnell das Aus. Auch beim ersten praktisch auftretenden Problem wird gleich gemutmaßt, dass einem Mann das nicht passiert wäre. Was selten stimmt, denn Männer kochen auch nur mit Wasser. Die können auch nicht immer alles schon von Kindesbeinen an, sondern müssen durch Erfahrung klug werden.
Aber selbst wenn eine Frau genau weiß, was sie will, trotz allen Gegenwinds, kann sie nicht immer tun, was ihre Berufung ist. Niemand konnte mich davon abhalten, mein Studienfach und die Schwerpunkte zu wählen. Ich hatte mich auf Numerik und Computersimulationen spezialisiert, auf dem Gebiet auch ein Praktikum gemacht, die Diplomarbeit und die Doktorarbeit. Leider war ich mit diesem Thema zu früh dran und fand anschließend keine Stelle in genau diesem Bereich. Ich wurde also Beraterin. Dort wurde mir das Programmieren verwehrt mit der Begründung, dass ich noch nie programmiert habe und es ihnen zu aufwändig sei, mir das von null an erst beizubringen. Mein Einsprucht, dass ich während Diplom- und Doktorarbeit vier Jahre lang programmiert habe, wurde abgeschmettert, denn das sei keine „richtige Programmierung“, wie mir begründet wurde. Auf meine Frage, was richtige von nicht richtiger Programmierung unterscheidet, bekam ich dann aber keine Antwort, sondern nur Schweigen. Ich nehme an, das war einfach mal wieder ein intuitiver Machogedanke, der für objektive Wahrheit gehalten wurde. Im nächsten Job durfte ich dann wieder programmieren, im folgenden nicht, wieder mit der Begründung, ich hätte das noch nie gemacht. Also wurde ich für Requirements Engineering und Testen eingesetzt, was einfach genug ist, dass es auch eine Person ohne technisches Verständnis machen kann. Als ich an die Uni zurück kehrte, habe ich dann in diesen Bereichen geforscht und habe das erst wieder in Frage gestellt, als ich dieses Stipendium für Genderforschung in der Informatik hatte und mich fragte, wie ich als ehemalige Expertin für Computersimulationen eigentlich zum Requirements Engineering gekommen bin.
Seitdem habe ich einige Gelegenheiten genutzt, um zur Programmierung zurück zu kehren. Jetzt lehre ich C++ für Anfänger, R und Python. Nur C++ gab es schon, als ich studierte, aber genauso wie ein Mann kann ich mich einarbeiten. Ganz selbständig. Mir wurde im Berufsleben ständig gesagt, das sei nicht möglich. Eine Frau brauche immer einen Mann, der den ganzen Tag auf dem Stuhl neben ihr sitzt und ihr sagt, was sie eintippen muss. Das war dann auch der Grund, warum ich in der Praxis nicht programmieren durfte. Es gab einfach keinen erfahrenen Programmierer, den man 40 Stunden pro Woche von der Programmierarbeit freistellen konnte, um mir Einzelunterricht im Programmieren zu geben. Unverschämtheit, aber so klappt das eben mit der Diskriminierung!! Wenn wir Frauen schon die Männerfächer studieren und man uns wegen Fachkräftemangel sogar einstellen muss, dann hält man uns wenigstens von den edlen, schwierigen, männlichen, harten Aufgaben fern, die am meisten Ruhm einbringen. Dadurch kommt dann die Programmiererin aus der Übung, ihr Wissen veraltet. Diskriminierung erfolgreich.
Aber wie ich immer sage: Zum Glück gibt es den Fachkräftemangel. Der eigene Chef kann uns daran hindern, hochwertige Aufgaben zu übernehmen. Wenn mein Chef mir sagt, ich dürfe den Code nicht mal lesen, weil ich sonst etwas kaputt machen könnte, werde ich den Teufel tun, das auch nur anzuklicken. Denn falls ich es tue, werden hinterher Kollegen und Kolleginnen ihre Fehler auf mich abwälzen. Aber als Freiberuflerin hatte ich bessere Chancen. Die Kunden brauchen so dringend kompetente Kräfte, dass sie sogar Frauen beauftragen! Und so kam ich wieder ins Thema rein. Hartnäckig bleiben!! Nicht unterkriegen lassen!
Interessant ist nach wie vor der internationale Vergleich. Nur bei den deutschen Tagungen habe ich dieses massive Ungleichgewicht bei den Frauenanteilen gefunden. Auf internationalen Tagungen tragen Frauen durchaus über technische Themen vor. Deutschland ist also international verglichen noch Entwicklungsland bei der gleichberechtigen Berufsausübung!