Overblog
Folge diesem Blog Administration + Create my blog

Rainer Maria Rilke: Über die Geduld

Gerade stöbere ich auf einigen Lyrik-Webseiten, die jemand mir empfohlen hat. Besonders gefallen hat mir Rilkes Gedicht "Über die Geduld", das ich noch nicht kannte. Dort auch sehr bedeutungsschwanger vorgelesen. Gerade weil ich von Natur aus ein sehr ungeduldiger Mensch bin, weiß ich, wie sehr Rilke Recht hat. Es lässt sich nichts beschleunigen, nur zerstören. Sehr schön wird hier auch deutlich, dass Geduld Vertrauen bedeutet:

Man muss den Dingen
die eigene, stille
ungestörte Entwicklung lassen,
die tief von innen kommt,
und durch nichts gedrängt
oder beschleunigt werden kann;
alles ist austragen –
und dann gebären…
 
Reifen wie der Baum,
der seine Säfte nicht drängt
und getrost in den Stürmen des Frühlings steht,
ohne Angst,
dass dahinter kein Sommer
kommen könnte.
Er kommt doch!

Aber er kommt nur zu den Geduldigen,
die da sind,
als ob die Ewigkeit vor ihnen läge,
so sorglos, still und weit…
 
Man muss Geduld haben
Mit dem Ungelösten im Herzen,
und versuchen, die Fragen selber lieb zu haben,
wie verschlossene Stuben,
und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache
geschrieben sind.
 
Es handelt sich darum, alles zu leben.
Wenn man die Fragen lebt,
lebt man vielleicht allmählich,
ohne es zu merken,
eines fremden Tages
in die Antworten hinein.

Rainer Maria Rilke

 

Kommentare anzeigen

Migranten belästigen unsere Töchter?

Gerade lese ich, dass Özdemir ein Umdenken bei der Migrationspolitik fordert (siehe auch hier). Begründung: Er macht sich Sorgen um seine Tochter, die von jungen Migranten sexuell belästigt wird. Grundsätzlich bin ich als Feministin natürlich auch 100%ig gegen die Belästigung von jungen Frauen. Das war ich schon immer, so als Betroffene. Ich habe mit seinem Artikel trotzdem ein paar Probleme: 

 

* Er behauptet, das sei in den letzten zwanzig Jahren schlimmer geworden. Dabei handelt es sich um eine Fehlwahrnehmung. Vor zwanzig Jahren war er von dem Problem noch nicht betroffen. Jetzt schon. Aus meiner Sicht ist es weniger geworden, aber das liegt daran, dass die Hauptzielgruppe für diese Belästigung im öffentlichen Raum junge Frauen sind, die sich nicht so recht zu wehren wissen. Außerdem bin ich jetzt auch nicht mehr so knackig wie früher.

 

* Grundsätzlich zeigen die Statistiken einen Anstieg der angezeigten sexuellen Übergriffe, aber das muss nicht an der zeitgleich stattfindenden Migration liegen. Es muss noch nicht mal daran liegen, dass es wirklich mehr Übergriffe gibt, sondern ist wohl eher ein Verdienst des Feminismus, dass Frauen heutzutage eher so etwas anzeigen, während wir früher dazu angehalten wurden, zu schweigen, weil ja an so etwas grundsätzlich die Frau schuld ist und nicht der Mann. Irgendwie muss die Schlampe den Gentleman ja provoziert haben. Zumindest in der öffentlichen Diskussion sind solche Töne inzwischen nicht mehr political correct, früher fand man die sogar in gedruckten Medien, beispielsweise in Berichten über Vergewaltigungsprozesse. Immerhin ein kleiner Fortschritt.

 

* Das ist sowas von populistisch und falsch, zu behaupten, es würde alle sexuelle Belästigung von Migranten ausgehen. Was angeblich stimmt ist, dass Migranten überproportional in der Kriminalstatistik auftauchen. Rund 15 % alle Fälle gehen auf ihr Konto, laut einer anderen Statistik eher 8 %, obwohl ihr Anteil an der Bevölkerung nur ca. 2 % oder 14 % beträgt. (Genaues weiß man nicht. Die Zählung von Migranten ist schwierig, weil der Übergang zum deutschen Staatsbürger statistisch gesehen nicht eindeutig ist.) Aber in der rechten Diskussion, leider auch in Özdemirs Artikel, klingt es so als seien es 100 statt 15 %. 85 % werden immer noch von Männern aus der Stammbevölkerung begangen. Selbst wenn man alle Migranten ausweisen würde, würde das also wenig Verbesserung bewirken. Interessant fand ich auch die Frage, welchen Anteil Migrantinnen unter den Opfern ausmachen. Bei Verbrechen gegen die sexuelle Mitbestimmung sind es laut Statistik nur 2 %. Daraus darf man aber nicht schlussfolgern, dass eingewanderte Männer sich vor allem auf die deutschen Frauen stürzen, sondern dass Migrantenfrauen so etwas seltener anzeigen. Ob es daran liegt, dass sie weniger emanzipiert sind oder sich vom Rechtssystem nicht genug verteidigt fühlen, lassen wir mal offen. Mich gruselt immer wieder, wenn ich lese, wie wenig die Polizei tun kann, um eine Frau zu schützen, deren Mann oder Exmann ihr den Tod angedroht hat. Wirklich geschützt wird sie erst, nachdem sie einen Mordversuch überlebt hat. Da besteht noch Verbesserungsbedarf. Aufschlussreich fand ich auch diese Statistik, die sich auf Verbrechen allgemein bezieht: In 84 % der Medienberichte über Verbrechen geht es um Migranten, obwohl sie "nur" 30 % der Verbrechen begehen. Das ist eine massive mediale Verzerrung! Was treiben die Journalisten da eigentlich?

 

* In Deutschland herrscht trotz allem noch eine Stimmung, die Frauen nicht angemessen verteidigt. Unter anderem zeigt sich das darin, dass sexuelle Belästigung und auch Vergewaltigung oft relativ lasch verurteilt wird, falls überhaupt. Darum laufen in Deutschland ja auch so viele Serientäter frei herum. Sowas sendet ein Signal. Ich habe mal von einem Vergewaltigungsprozess gelesen, wo ein Migrant eine Frau in einem Park vergewaltigt hat und vor Gericht der Richterin sagte: "So macht man das in Deutschland." Übrigens war das nicht sein erstes Verfahren. Daher auch sein vollständig fehlendes Unrechtsbewusstsein. Ich wette, die jungen Männer (Migranten oder nicht), die Frauenbelästigung als Volkssport sehen, tauschen sich da untereinander aus, teilen Best Practices und vor allem die offensichtliche Tatsache, dass Frauen durch unser Rechtssystem kaum geschützt werden. Wenn eine Frau im Park vergewaltigt wird, dann schwingt immer die Vorstellung mit, dass sie Mitschuld trägt, indem sie allein in den Park geht. Laut unserem Rechtssystem dürfen Frauen, ähnlich wie in muslimischen Ländern, eigentlich nur in Begleitung eines männlichen Verwandten das Haus verlassen. In allen anderen Fällen sind sie Freiwild. Das wird so zwar in den Gesetzen nicht ausdrücklich ausformuliert, spiegelt sich aber oft in den Gerichtsprozessen wider. 

 

* Es ist doch kein Zufall, dass so ein Artikel erscheint, wenige Tage nachdem in drei Bundesländern die Grünen abgestraft wurden dafür, dass sie angeblich "unkontrolliert ausländische Verbrecher ins Land holen", wie die Rechten gerne unterstellen. Das ist genauso wie wenn den USA einfällt, dass sie die Rechte der Frauen in einem muslimischen Land verteidigen wollen, wenn es gerade geopolitisch in den Kram passt! Andernfalls ist ihnen das Schicksal der Frauen egal. Ich sag nur "Afghanistan". Oder "Iran". Oder denkt auch mal jemand an die Frauen im Jemen? Sudan? Algerien? Ich finde es schäbig, so populistisch auf Stimmenfang zu gehen.

 

* Geschickt gemacht ist der Dreh mit der persönlichen Betroffenheit. Somit ist dieser Feuilleton-Artikel keine offizielle Pressemitteilung der Partei über einen schon beschlossenen Strategiewechsel, sondern einfach eine persönliche Meinung bezüglich einem potenziell zukünftigen Strategiewechsel. Der Normalbürger wird den Unterschied aber nicht unbedingt bemerken.

 

Kurz und gut: Das Problem von Özdemirs Tochter wird weder durch die Migranten verursacht noch durch Ausweisungen gelöst. Wir brauchen in Deutschland mehr Gleichberechtigung und das Ende dieser allgemeinen Stimmung der Misogynie. Ich meine: Warum ist das überhaupt so eine uralte deutsche Tradition, dass Frauen sexuell belästigt werden? Wir Frauen kommen doch auch nicht auf die Idee, Männer sexuell zu belästigen! Das klingt jetzt vielleicht lustig, aber diese Frage stelle ich im Ernst. Denn letztlich imitieren die Gruppen junger Migranten, die im Park herumlungern und im Vorbeigehen Frauen sexuell belästigen, nur eine deutsche Tradition. Auch wenn die Statistiken der angezeigten Fälle nach Einzelfällen klingen, dann erlebt doch jede einzelne Frau ständig geschlechtsspezifische Diskriminierung und mehrmals im Leben auch sexuelle Grenzverletzungen! Wobei es sich aber um Einzelfälle handelt: Wenn man die Gruppe der männlichen Migranten betrachtet, dann genügt schon ein kleiner einstelliger Prozentsatz von notorischen Serientätern, um die obige Statistik zu erzeugen. Die restlichen Migranten sind nicht damit beschäftigt, Frauen im Park zu jagen, sondern gehen zum Beispiel arbeiten, bringen abends der kleinen Tochter das Radfahren bei und trainieren am Wochenende eine Jugend-Fußballmannschaft. Im Fußballverein sind sie nämlich auch überproportional repräsentiert. 

Ich will ja nicht unterstellen, dass das mit Absicht geschieht. Aber diese Konzentration auf die Beteiligung von Migranten am Volkssport Frauenbelästigung lenkt den Blick sehr davon ab, dass Frauen in Deutschland systematisch diskriminiert werden. Solange man so tut, als würden Frauen wieder (haha) im gleichberechtigten Paradies leben, sobald alle Migranten fort sind, wird dann wieder nichts für die Gleichberechtigung getan, weil stattdessen andere Probleme gelöst werden. Ich sehe schwarz für die Emanzipation. 

 

Kommentare anzeigen

Ute Ehrhardt: Gute Mädchen kommen in den Himmel - böse überall hin. Warum Bravsein uns nicht weiterbringt.

Das Buch "Gute Mädchen kommen in den Himmel" stammt von 1994 und habe ich damals in den 90ern schon gelesen. Es gefiel mir nicht so gut, aber da ich damals noch keine erfahrene Buchkritikerin war, konnte ich die Gründe nicht lokalisieren. Nun habe ich das Buch erneut gelesen und sehe klarer.

Das Buch beschreibt durchaus richtig und ausführlich die Mechanismen wie Frauen sich selbst blockieren durch das, was hier "Denkfallen" genannt wird. Manchmal auch unnötig. Darum funktioniert das System der Unterdrückung der Frau ja schon seit Jahrtausenden. Solange wir uns selbst unterlegen fühlen und selbst ausbremsen, solange wir für unsere Leistung keine Belohnung erwarten, solange unser geschlechtsspezifisches Verhalten den Männern ihre Dominanz erleichtert, ändert sich daran auch nichts. Es geht hier um erlernte Hilflosigkeit und sich selbst erfüllende Prophezeiungen. 

Das Problem ist nur, dass die hier beschriebene Lösung nicht funktionieren wird. Wir Frauen sollen umdenken, uns selbst anders sehen und selbstbewusster handeln. Stellenweise wird behauptet, dass dies dann auch zum Erfolg führen wird. Der Chef wird unsere Leistung durch Gehaltserhöhungen und Beförderungen honorieren, sobald wir wagen, dies anzunehmen. Der passive Ehemann wird froh sein, dass wir ihm Entscheidungen abnehmen. Abwechselnd dazu wird ganz richtig erkannt, dass unsere Verhaltensänderung zu Aggressionen und Ausgrenzung führen wird. Es wird aber an uns der Anspruch erhoben, dass uns das egal sein müsse. Ich halte das aber für eine unmenschliche Anforderung.

Vermutlich konnte man 1994 noch nicht so wirklich vorhersehen, wie die Gesellschaft als Ganzes und die  Personen im Umfeld auf ein Ausbrechen von einzelnen Frauen aus den Klischees reagieren würde. Der gesellschaftlich-systemische Aspekt wird hier gar nicht betrachtet. Die Gesellschaft ist ein System, das sich Veränderungen massiv widersetzt, da wirken mächtige Mechanismen. Diese sind ja durchaus sinnvoll in einer Gesellschaft, wo alles zum Besten steht. 

Schon am Anfang heißt es: "Wer gegen die gesellschaftlichen Normen verstößt, erfährt Sanktionen. Er wird mit Ausschluß und Mißachtung bedroht. Das führt zu unterschiedlichen Ängsten, die wiederum zu Denkfallen führen." Grundsätzlich richtig. Von der Gesellschaft ausgestoßen zu werden ist eines der schlimmsten Dinge, die einem sozialen Wesen wie dem Menschen passieren kann. Zur Zeit der Neandertaler hätte ein einzelner Mensch ohne seine Gruppe nicht lange in der Wildnis überlebt. Im Märchen leben Frauen, die sich nicht an die Regeln halten, als böse Hexe allein im Wald. Manchmal denke ich, dass oft die Frau zuerst ausgestoßen wurde und dann zur Hexe, weil nur Magie sie vor Raub und Vergewaltigung schützen kann, falls überhaupt. Trotzdem wird diese Gefahr in diesem Buch nur als unnötige Bedenken zur Seite gewischt. Wie gesagt: Entweder wird das gar nicht eintreten und falls doch, sollte es uns egal sein. "Streitbare, unbequeme Frauen kommen weiter." Das ist mir neu!

Was mich am Buch auch stört ist, dass das Leben quasi als ständiger Kampf dargestellt wird: "Die bösen Mädchen haben Lust zu siegen". (Also, ich wäre gerne Teil eines Teams gewesen.) Ständig muss man gegen seine eigenen Blockaden und gegen andere Menschen ankämpfen. Hier geht es um Aggressionen, Ängste, Trennungen. In vielen Fallbeispielen besteht die Lösung darin, einfach Bindungen aufzulösen und wegzugehen. Das bringt aber nichts, weil woanders, also beispielsweise in der nächsten Ehe oder im nächsten Job, wieder dieselben Erwartungen an die Frau gestellt werden. Das liegt nicht an ihr, sondern daran, dass das einfach immer noch der gesellschaftliche Standard ist.

Mir fehlen hier so Ansätze wie Kooperation, Freude, Freundschaft. Wir Frauen müssen einfach auch mal zusammenhalten statt Zickenterror. Und vor allem auch mit denjenigen Männern kooperieren, die keine Machos sind. Wenn wir wollen, dass die Geschlechterklischees verschwinden, dann müssen wir das auch fördern, dass Männer aus ihren Klischees ausbrechen. Wenn ich höre, dass ein Mann in Elternzeit geht, sage ich immer, wie gut und wichtig ich das für die Gleichberechtigung halte. Dass nämlich auch Männer sich nicht mehr in ein starres Rollenschema pressen lassen.

Ich erwarte keine Revolution in dem Sinne, dass wir an einem bestimmten Tag die Macht der Männer stürzen und sie alle zu Pantoffelhelden degradieren. Abgesehen von der mangelnden Machbarkeit: "Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu." Ich denke, wir müssen einfach die wenigen Möglichkeiten nutzen, die wir haben, ständig das System untergraben und darauf hoffen, dass die Geschlechterklischees "ausbleichen", statt dass es sich um eine zyklische Entwicklung handelt. Leider ist das bei manchen Entwicklungen ja so. In den sozialen Netzwerken der jungen Leute gibt es wohl wieder einen Retro-Trend zu starken Mann-Frau-Klischees. Dann wäre die Frauenbewegung nur eine vorübergehende Mode, sozusagen ein Flop. Rechtlich sind wir inzwischen zwar gleichberechtigt, aber die Gesellschaft als solche müsste uns auch erlauben, diese Rechte wahrzunehmen, ohne massive Sanktionen. 

Ein kleines Beispiel: Frau Ehrhardt beschreibt, dass wir Frauen gerne unseren Doktortitel weglassen, aus falscher Bescheidenheit. Allerdings kenne ich das eher so, dass sehr häufig die anderen unseren Doktortitel weglassen. In einem meiner Jobs merkte ich erst spät, dass alle Kollegen mit Doktortitel diesen im E-Mail-System eingetragen bekamen. Im Namensfeld stand bei verschickten E-Mails automatisch "Dr. Max Mustermann". Bei mir nicht. Das hatte weit reichende Folgen, weil alle meine internen Kontaktpersonen darauf achteten und sofort und ohne Nachfragen schlussfolgerten, dass ich offensichtlich eine Doktorandin bin und erst noch meine Doktorarbeit schreiben müsse. Und ich wunderte mich, dass man mich wie eine Anfängerin behandelt... In einem anderen Fall waren wir drei Berater. Die Kunden wussten, dass irgendjemand von uns den Doktortitel hat, hatten aber vergessen wer. Darum haben sie sicherheitshalber beide Männer mit "Herr Doktor" angesprochen und mich mit "Frau Herrmann", obwohl ich diejenige mit dem Titel war. Natürlich fehlen Doktortitel auch regelmäßig auf Namenslisten oder Namensschildchen bei Konferenzen. Grundsätzlich ergänze ich den inzwischen selbst handschriftlich, weil ich weiß, wie sehr darauf geachtet wird. Auch bei der Anmeldung zur Konferenz gebe ich den immer an. Trotzdem schafft er es nicht immer auf die Namensliste oder das Schildchen. Diese Versehen sind systemisch. Ständig wird uns Frauen unsere Qualifikation weggenommen. Das machen sie nicht wegen unserer Bescheidenheit. Bescheidenheit wird mir recht selten vorgeworfen! Weil von uns Frauen im Prinzip erwartet wird, dass wir uns unser Berufsleben lang als unwissende Anfängerinnen sehen und auch so verhalten. Daran gemessen eckt selbst das kleinste bisschen Stolz auf Leistung oder auch nur Freude an der Leistung an. 

Interessanterweise wird das Verhalten der Männer und deren Geschlechterklischees in diesem Buch gar nicht thematisiert. Die müssten sich ja auch ändern, sonst gibt es keine Gleichberechtigung! 

PS: Einen positiven Trend sehe ich aber durchaus. Immer öfter sehe ich junge oder auch nicht so junge Männer mit typisch weiblichen Kleidungsstücken, z. B. Schmuck oder Rock. Find ich gut! Damit meine ich nicht die Zuhälter-Goldkette oder Rapper-Kette, sondern auch mal eine Perlenkette. Erst vor ein paar Tagen trug ein junger Mann an beiden Handgelenken pinkfarbenen Glitzerschmuck. Vor ein paar Monaten unterhielt ich mich in der S-Bahn mit einem Mann in Frauenkleidung. Er fragte mich, was ich davon halte. Ich meinte, dass jeder unbedingt das anziehen müsse, was er mag. Ich verwies dann auf die Männerschuhe an meinen Füßen. Schon als Mädchen war ich zu emanzipiert, um mir von diesen typischen Frauenschuhen die Füße schmal quetschen zu lassen. In zähen Verhandlungen mit meiner Mutter konnten wir uns damals auf Mokassin statt Pumps einigen, aber schon mit Anfang 20 kaufte ich mir meine Schuhe regelmäßig in der Herrenabteilung. Die haben einfach eine natürliche Fußform, im Gegensatz zu Frauenschuhen. Im Sommer sieht man oft bei älteren Damen, wie massiv bei ihnen der kleine Zeh und manchmal sogar der große durch zu enge Schuhe unter die anderen Zehen geschoben ist! Was für eine schmerzhafte Verstümmelung, nur um einem Schönheitsideal zu entsprechen. Psychologisch betrachtet sind unsere Füße sehr wichtig, weil sie uns festen Stand geben und auch erden. Sie erlauben uns, weite Strecken zu gehen, ohne einen Chauffeur zu brauchen. Wir sind aus eigener Kraft mobil und bewegen uns mit Leichtigkeit selbstbestimmt mit gesunden Füßen. Was für ein mächtiges Symbol!

Kommentare anzeigen

Chatbot-Arena: Es tut sich was!

Seitdem ich das letzte Mal die Chatbot-Arena besucht habe, hat sich einiges getan! Claude ist abgerutscht, aber von o1 habe ich noch nie gehört. Das muss ich mir bei Gelegenheit mal ansehen! 

Kommentare anzeigen

Kampf der Freiberufler gegen den Kampf der Rentenversicherung gegen die Scheinselbständigkeit

Die Deutsche Rentenversicherung glaubt nicht an die Selbständigkeit. Hinter jedem Trainervertrag vermutet sie schnell mal Scheinselbständigkeit, beispielsweise weil der Bildungsanbieter den Schulungsraum stellt und dem Trainer Schulungstermine vorschlägt (weil Räume und Stundenpläne aufeinander abgestimmt werden müssen), weil die Fahrtkosten zur Schulung erstattet werden, gemeinsame Besprechungen stattfinden oder dem Trainer für Online-Schulungen ein Headset oder eine Softwarelizenz zur Verfügung gestellt wird. Oder auch wenn die Trainerin zum Unterricht fährt und im Schulungsraum vergeblich auf die Teilnehmer wartet und sie dann ein Kursausfallhonorar erhält, um ihre Fahrtkosten, Fahrtzeit, Warte- und Vorbereitungszeit wenigstens minimal zu vergüten. Dann unterstellt die Deutsche Rentenversicherung Arbeitsbedingungen wie bei einem Angestellten. O-Ton aus meinem Statusfeststellungsverfahren: "Sie kommen ja alle ihre Kursstunden bezahlt. Also tragen Sie kein finanzielles Risiko." Hallo? Das klingt für mich so als dürften meine Kunden nicht mehr alle meine Kursstunden bezahlen. Wenn ich eine Schulung vorbereite oder mir auch nur drei Tage frei halte für eine Schulung und diese wird mangels Anmeldungen abgesagt, bekomme ich kein Geld und habe doch Aufwand gehabt. So kurzfristig kann ich dann auch keine andere Schulung mehr auf diesen Tag legen. Und die 11,70 Euro Kursausfallhonorar, die ich von einem meiner Kunden erhalte, sind nur ein Trostpflästerchen dafür, dass ich mir den Abend oder den Samstag für diesen ausgefallenen Kurs reserviert, alles vorbereitet und dann noch vergeblich gewartet habe. Viel lieber hätte ich den Kurs auch gehalten und dann das volle Honorar erhalten. Das ist sehr wohl ein finanzielles Risiko. Ich erinnere mich an einen besonders fatalen Monat, wo fast alle bezahlten Schulungen ausfielen, nur die kostenlosen Vorträge und anderes Ehrenamt fanden statt, so dass ich trotz über 300 Stunden Arbeit am Ende genau 150 Euro Einkommen hatte. An den Kurstagen arbeite ich dann an meiner Webseite und dergleichen. Das reichte weder für Krankenkasse noch für die Rentenversicherung noch für die Miete und fühlte sich tatsächlich an als lebe ich riskant! 

Gerade auch vor dem Hintergrund meiner Burnout-Erfahrung ist es mir unbedingt wichtig, keinen Arbeitgeber mit Weisungsbefugnis zu haben, denn diese Weisungsbefugnis fühlte sich für mich in mehreren Anstellungsverhältnissen wie eine Aufforderung zur Selbstzerstörung an. Bzw. wie die Berechtigung dazu, mich zur Selbstzerstörung aufzufordern, also mehr zu arbeiten als gesund für mich ist (und als mit dem Arbeitsvertrag abgedeckt ist). Ein Statusfeststellungsverfahren, das einer von meinen Kunden zur Klärung durchgeführt hat, ging damals leider schief. Ich war ganz sicher gewesen, dass es anders ausgehen würde, weil ich mehr als ein Dutzend Kunden habe und gerade für diesen Kunden relativ wenig arbeitete. Nur vier Stunden Kurs pro Monat! Trotzdem wurden wir von der Rentenversicherung dazu verdonnert, einen Arbeitsvertrag für einen Minijob abzuschließen. Ansonsten änderte sich nichts. Weiterhin vier Stunden Kurs pro Monat, jede Kursstunde wurde zum bisherigen Honorar bezahlt, die Vorbereitung nicht, ich habe weiterhin im Rahmen des Lehrplans die Kursinhalte ohne Abstimmung selbst gestaltet und so weiter. Und eben am Monatsende eine Excel-Tabelle mit meiner Zeiterfassung eingereicht. Irgendwo im Hintergrund wurden wohl ein paar Euro in meine Rentenversicherung einbezahlt und die Form der Honorarabrechnung änderte sich. Ansonsten blieb alles gleich. Für mich als Freiberuflerin. Die anderen Dozenten, die irgendwo eine Vollzeitanstellung hatten, war es aber nicht so leicht, nebenbei noch einen Vertrag über einen Minijob abzuschließen. Das hat leider diesen Kunden völlig zerstört. Die gibt es nicht mehr! Das kann doch nicht der Sinn des Statusfeststellungsverfahrens sein, dass man wegen den paar Euro, die mein Auftraggeber in die Rentenkasse einbezahlte, das Geschäftsmodell des Bildungsträgers zerstört und damit die ganze Einrichtung! Die meisten Kursanbieter arbeiten hauptsächlich oder sogar ausschließlich mit freiberuflichen Dozenten, weil nämlich hochwertige Schulungen von Experten gehalten werden und nicht von Schauspielern, die Powerpoint-Folien vortragen! Als freiberufliche Dozentin zahle ich doch sowieso schon pflichtversichert in die Rentenversicherung ein! Und die Kollegen, die ihre vier Kursstunden pro Monat neben ihrer Vollzeitanstellung hielten, bezahlten doch sicher auch schon genug ein! Das ist doch absurd! Gerade vor dem Hintergrund, dass Trainer, die mindestens 538 Euro im Monat einnehmen, sowieso pflichtversichert sind, ist diese Strenge völlig sinnlos. 

Hintergrund meines Aufkochens alter Geschichten ist, dass es nun zwei Initiativen gibt, die sich gegen diese Absurdität einsetzen: 

1.) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat Arbeitsgruppen gebildet, die sich um das Thema kümmern sollen. Der VGSD mischt zum Glück auch mit. Hoffentlich können sie die selbständigen Trainer retten. 

2.) Es gibt eine Petition mit dem Titel "Rettet die Selbstständigkeit im Yoga, Sport, Fitness, Tanz und Musik!". Zahlreiche Urteile der Rentenversicherung könnten als Grundsatzurteile das Ende einer langen Tradition bedeuten, nämlich dass Menschen freiberuflich ihr Wissen weitergeben. Manche tun das abends noch als Zusatzverdienst oder Ehrenamt (Schulungen werden ja eher nicht so gut bezahlt), manche Vollzeit bei zahlreichen Anbietern (mit einem einzigen Anbieter kann man sich nicht ernähren, weil man als Experte ja nur begrenzt viele Themen lehrt) und manche (Hausfrauen, Rentner, Behinderte oder Privatiers) machen das nur gelegentlich, damit ihr Wissen nicht verloren geht, aber ohne davon zu leben.

Sich als selbständiger Trainer seinen Lebensunterhalt zu verdienen, ist ohnehin schon schwierig genug. Da muss doch die Rentenversicherung nicht noch Chaos anrichten. Ich will doch nicht bei über zehn Kunden jeweils angestellt werden, das ist doch kompliziert! Man sollte lieber mal über eine Art Mindesthonorar für Trainer nachdenken, das würde mehr bringen! Durch meine hohe Qualifikation kann ich ja auch hochwertige Schulungen geben, die mehr als die üblichen 20-35 Euro pro Kursstunde einbringen, aber das gilt ja nicht für jede(n). Das Ulkige ist ja, dass der Regelbeitrag zur Rentenversicherung höher liegt als der Mindestumsatz, der zur Beitragspflicht führt. Das heißt, wenn jemand 540 Euro einnimmt, bezahlt er über 600 Euro in die Rentenkasse ein. Auch absurd!! Wer legt denn diese Werte fest? 

Grundsätzlich ist es aber so, dass ich es aufgegeben habe, allein von Schulungen leben zu wollen. Gerade die vielen Kursausfälle machen das nämlich zum Glücksspiel. Die Auslastung schwankt enorm. Im Februar, August und Dezember finden nur wenige Schulungen statt, während März, Juni und Oktober bis November Hektik verursachen und ich Aufträge ablehnen muss. Und wenn dann mal ein Monat so richtig brummt, dann krieche ich hinterher auf dem Zahnfleisch, weil ich als Trainerin meistens früh aufstehen muss (gestern um 4 Uhr) und abends spät heim komme. Die sonstige Arbeit wie Steuererklärungen muss man dann aber trotzdem machen. Darum biete ich inzwischen ein etwas gemächlicheres Portfolio an mit einer Mischung aus Schulungen und Dienstleistungen, die ich an den kursfreien Tagen gewinnbringend zu Hause erledigen kann. Die richtige Mischung macht's. Die Steuerung dieser Mischung und meiner Auslastung sehe ich als ureigene unternehmerische, also freiberufliche Tätigkeit. Das ist Freiheit und Verpflichtung. Die will ich doch nicht zugunsten von 12 Minijobs aufgeben! 

Grundsätzlich sehe ich natürlich schon ein, dass wenn eine Musiklehrerin wegen der hohen Fahrtzeiten nur an zwei Musikschulen jeweils 20 Stunden arbeitet statt an 20 Musikschulen jeweils zwei Stunden pro Woche, man Ähnlichkeit zu einer Anstellung sehen kann. Und möglicherweise möchte die Musikerin lieber angestellt und sozialversichert arbeiten, statt von ihrem mageren Honorar ihre Rentenversicherung abzuzweigen. Aber bei der Statusfeststellung sollte man doch auch den Willen der beiden Vertragspartner berücksichtigen. Und das Problem, dass sie sich nicht rentenversichert, liegt dann doch eher an der Honorarhöhe als an der Freiberuflichkeit. Aber vielleicht leidet die Rentenversicherung auch an Kontrollzwang und Überheblichkeit nach dem Motto "Wenn man die Kinderlein nicht zur Rentenversicherung zwingt, dann verprassen sie ihr Taschengeld für Bonbons". :-( 

Ich rechne mal: Nehmen wir an, die Musiklehrerin sei wegen Schülermangel und auch weil die meisten Musikschüler nur nachmittags Zeit haben, nicht zu 40 Stunden ausgelastet. Sagen wir, sie gibt insgesamt 20 Stunden pro Woche zu 20 Euro. Mach also 1600 Euro brutto im Monat. 600 Euro Rentenversicherung, 600 Euro Krankenkasse, bleiben noch 400 Euro für Miete, Lebensmittel, Kleidung, Bücher, Fahrtkosten und was man sonst noch braucht. Bei Urlaub, Feiertagen und Krankheit nimmt sie nichts ein. Dann wäre es ihr sicher recht, wenn ihr Arbeitgeber sich mit je 300 Euro pro Monat an der Rentenversicherung und an der Krankenversicherung beteiligt. Allerdings bekommt sie dann als Angestellte vermutlich einen niedrigeren Stundensatz als zuvor. Das wird die Mehrkosten für die Musikschule nicht ganz ausgleichen, so dass sie die Preise erhöhen muss. Die Musikschüler wandern dann teilweise an eine andere Musikschule ab oder nehmen Privatunterricht steuerfrei in bar bezahlt beim Nachbarn oder Mitschüler. Manche Geschäftsmodelle, z. B. auch die der Volkshochschulen, funktionieren ja nur wegen der niedrigen Honorare und Sozialabgaben. Privatkunden fehlt das Budget für doppelt so teure Kurse. Ich sehe ja auch immer zu, dass meine Fortbildungen nicht zu teuer werden. Die Preisspanne geht von kostenlosen Schulungen bis zu astronomisch teuren Angeboten. 

Die Situation ist verzwickt, aber man löst das Problem auf keinen Fall durch die Feststellung, dass eine Scheinselbständigkeit vorliegt! Damit zerstört man das ganze System der Low-Budget-Fortbildungen und Peer-to-Peer-Wissensweitergabe. Vollzeit-Freiberufler geben diese schlecht bezahlten Schulungen doch sowieso nur nebenbei bzw. sollten sich zusätzlich noch ordentlich bezahlte Arbeit suchen. 

 

 

 

 

 

Kommentare anzeigen

Marc-Uwe Kling: Quality Land

Die letzten Tage hörte ich "Quality Land" als Hörbuch - vom Autor Marc-Uwe Kling selbst gelesen. Das Buch stammt von 2017. Darum ist vieles, was hier als Zukunftsmusik beschrieben wird, schon längst eingetreten. Das ist überhaupt keine Science Fiction mehr, und wenn man über die Gags im Buch lacht, lacht man eigentlich über sich selbst. 
Quality Land ist ein nicht benanntes Land, das dank Marketing-Agentur eine ganz neue Country Identity erhalten hat, mit Sprachregeln, Monopolisierung und Algorithmussteuerung fast aller Lebensbereiche. Beispielsweise bekommt man regelmäßig von Lieferdrohnen Produkte geliefert, die man nicht bestellt hat, die aber laut Algorithmus genau das sind, was man sich wünscht. Was aber, wenn man versehentlich ein paar missverständliche Fotos geschossen, falsch geklickt oder einen Namensvetter hat? Dann stimmt das Profil nicht, und man bekommt einen rosafarbenen Delphinvibrator geliefert. Die Rückgabe ist nicht möglich, weil die Algorithmen angeblich auch unbewusste Wünsche korrekt vorhersagen, und so begleitet der rosafarbene Delphinvibrator unsere Helden eine ganze Weile. In diesem Buch jagt ein Gag den anderen. Da streiten sich Personal Assistants miteinander, das Laufband bittet um Entschuldigung oder fordert eine Entschuldigung ein, es gibt moralisch enthemmte Autos, man bleibt mit Freunden in Kontakt, indem sich autonome Chatbots miteinander unterhalten ... Ich hatte in einem früheren Blogartikel schon über das "Internet of Things" philosophiert, das das "Internet of Humans" ersetzen wird. Hier ist es schon wahr geworden. Jeder pflegt nur noch wenige menschliche Kontakte, und diese wurden durch Maschinen vermittelt. Im Buch heißt es: "Wir dachten, das Internet sei ein Mittel zur Befreiung der Menschheit." Neu war mir, dass zunächst die kommerzielle Nutzung des Internets verboten war. Aber chatGPT hat es mir bestätigt. :-) Grundsätzlich denke ich aber doch, dass das Internet sehr wohl zur Vernetzung von Menschen und Erweiterung unserer Möglichkeiten beiträgt. Wir müssen nur hochwertige Newsletter abonnieren und den richtigen Gruppen beitreten. Ja, der Netzwerkeffekt wird korrekt beschrieben: Durch die beliebige Skalierbarkeit elektronischer Angebote läuft der Wettbewerb auf ein Monopol hinaus, insbesondere auch wenn ein Portal davon lebt, dass Anbieter und Nachfragende eine kritische Masse erreichen, damit jeder findet, was er sucht.
Sehr schön fand ich auch, wie durch die häufige Nennung des Namens von Jennifer Aniston als Symbol für schlechte Komödien man früher oder später doch mal ein wenig nach ihr recherchiert. Was zu zeigen war. 

Die letzten Worte einer Androidin in der Schrottpresse lauten: "Diese Welt ist so blöd, ich will gar nicht mehr hier bleiben!" Regelmäßig wird auf verwandte Bücher, aber auch auf Klassiker verwiesen. Notiert hatte ich mir die Känguruh-Chroniken, Per Anhalter durch die Galaxis, Terminator, Wally, Michael Kohlhaas, aber das ist nur eine kleine Auswahl.

Immer wieder zum Schmunzeln führt die Namensregel, dass eine Frau als Nachnamen den Beruf ihrer Mutter zum Zeitpunkt der Zeugung trägt, ein Mann den seines Vaters. Es gibt also Frauen, die mit Nachnamen Schülerin, Au-pair-Mädchen oder Nonne heißen. Unser Antiheld trägt den Namen Peter Arbeitsloser, obwohl er von seinem Großvater einen Laden und eine Schrottpresse geerbt hat. Diese wird immer wieder gebraucht, denn die Konsumschutzgesetze verbieten die Reparatur von Maschinen. Beim kleinsten Defekt wird gleich verschrottet - oder auch nicht. Peter Arbeitsloser sammelt die liebenswert schrulligen Irrläufer und somit eine kleine Armee, die ihn auch in kritischen Situationen im Rahmen ihrer Möglichkeiten unterstützen.  Denn er kämpft gegen das System, unterstützt durch die Hackerin Kiki und "den Alten", einen paranoiden alten Mann, der sagt: "Ich finde deine Dummheit erfrischend." Sehr sympathisch ist die Hackerin Kiki, die sich möglichst unvorhersehbar und verrückt verhält, weil nur das einen in dieser totalüberwachten Welt noch frei macht. Beispielsweise irritiert sie die Algorithmen durch sinnlose Einkäufe.

Zur Rahmenhandlung gehört ein Duell der Präsidentschaftskandidaten. Ein Rechtsradikaler konkurriert mit einem Androiden namens "John of Us". Kandidat Koch argumentiert wenig faktensicher und widerspricht sich selbst, der Androide setzt auf Fakten und Argumente. Verständnislos reagiert er auf die höhere Beliebtheit Kochs, der den Wähler/innen erfreulich "menschlich" erscheint: "Wollen die Leute einen Präsidenten wählen oder einen Clown?" Die Politiker und mehr noch die Großkapitalisten jedoch fragen sich: Ist John wie erhofft eine Verwaltungsmaschine oder doch eher eine Umsturzmaschine? Ihnen gefallen die kommunistisch angehauchten Pläne des Androiden gar nicht.

Schön fand ich auch die Frage: Wollen wir in einer Welt leben, wo alles exakt, aber falsch ist? Dabei musste ich an meine Profile denken. Bei Ebay kaufte ich lange nur Elektronikartikel und Bücher, also erhielt ich auch nur entsprechende Werbung, zusätzlich Werbung für Fußballschuhe und Herrenarmbanduhren. Zum Glück haben sie sie mir nicht ungefragt zugeschickt. Ich spiele nämlich gar nicht Fußball und schon gar nicht in Herrenschuhen. Inzwischen verkaufe ich dort ziemlich viel Krempel, den ich nicht haben will. Kitschige Deko und dergleichen. Um herauszufinden, was man für sowas verlangen kann, sehe ich mir vergleichbare Angebote an. Seitdem bekomme ich ständig Werbung für Handtaschen und handgestickte Gobelins. Uarg! 

Ich musste auch lachen bei der Bemerkung einer KI, dass wir Menschen für sie Black Boxen seien. Sie sehen nur den Input und den Output. Sie haben ja Recht. Wir Menschen können viel leichter verstehen, was im Innern einer KI vor sich geht als umgekehrt. 

Ein paar Prognosen des Autors sind (noch) nicht eingetreten:
- Wenn man in der Wahlkabine steht, bekommt man schon per Wahlomat angezeigt, wen man wählen soll. Wie in allen anderen Fällen auch, wird einem nur eine einzige Schaltfläche angezeigt: "OK". Möchte man etwas anderes wählen, dann muss man die Minischaltfläche für "alle Kandidaten anzeigen" erst suchen.
- Die Algorithmen der Partneragenturen schlagen nur einen einzigen, perfekt passenden Partner vor. Oder auch nicht. Peter wurde mit Fräulein Sexarbeiterin nicht warm.
- Die Reparatur von Elektrogeräten wird gesetzlich nicht nur verboten, sondern von der EU sogar gefordert. Da wird sich in den nächsten Jahren noch einiges verbessern.

Kommentare anzeigen

[CFP] REFSQ 2025: International Working Conference on Requirements Engineering: Foundation for Software Quality

Call for Papers
31st International Working Conference on Requirement Engineering: Foundation for Software Quality will take place from the 7th to 10th of April 2025 in Barcelona, Spain (live, in-person)
https://2025.refsq.org/
=================================================================
Special Theme: Social REsponsibility
The technological progress, the increasing digitalization and emerging trends offer great potential to positively support and facilitate our everyday life. Due to this tremendous influence that technology nowadays has on our society, it is (increasingly) important to carefully consider the impact that digital solutions have on our society during development activities.
RE is a socio-technical discipline that aims to understand and analyze the needs of stakeholders affected by the introduction of digital solutions and to communicate these needs to the development team. This mediator role enables our community to have a major impact on the goals, capabilities, functionalities and qualities of digital solutions and thus take RESPONSIBILITY for the social impact that these solutions bring.
With this special theme we aim to raise awareness for this “Social REsponsibility”, to share challenges / ideas / project experience and to foster discussions around the following questions:
* How can our RE community contribute to the “social good”?
* How to support “Responsible Design” through requirements engineering?
* How to actively involve the society (respectively large / heterogeneous stakeholder groups) into RE activities (e.g., co-creation / co-design)?
* How to systematically derive, engineer and evaluate social values and impact?
* How to align social needs and “intelligent” systems evolution?

Submission Possibilities
REFSQ 2025 welcomes submissions for:
* Research Papers
https://2025.refsq.org/track/refsq-2025-research-papers#Call-for-Papers
* Workshop Proposals
https://2025.refsq.org/track/refsq-2025-workshops
* Doctoral Symposium
https://2025.refsq.org/track/refsq-2025-doctoral-symposium#Call-for-Submissions
* Posters and Tools
https://2025.refsq.org/track/refsq-2025-posters---tools#Call-for-Submissions
* Education and Training
https://2025.refsq.org/track/refsq-2025-education---training
* Journal Early Feedback
https://2025.refsq.org/track/journal-early-feedback#Call-for-Submissions
Check also the Open Science Policy and the Competition (NEW) that is awarded
with 100€ and 200€: https://2025.refsq.org/track/refsq-2025-open-science#About

Important Dates (all dates are AoE (UTC-12h))
* Workshop Proposals: Oct 25th 2024
* Submission Research Papers: Nov 1st (Abstract) / Nov 8th 2024 (Paper)
* Notification Workshop Proposals: Dec 13th 2024
* Notification Research Papers: Jan 13th 2025
* Paper Submissions to workshops, education and training, posters and tools, and doctoral symposium: Feb 7th 2025
* Notifications workshops, education and training, posters and tools and doctoral symposium: Feb 21st 2024
* Paper Submission to journal early feedback: March 7th 2025
* Notification journal early feedback: March 17th 2025

Organization & Contact
Organization Co-Chairs
* Carles Farré, Universitat Politècnica de Catalunya
* Quim Motger, Universitat Politècnica de Catalunya
* Xavier Franch, Universitat Politècnica de Catalunya
PC Co-Chairs
* Angelo Susi, Fondazione Bruno Kessler
* Anne Hess, Technical University of Applied Sciences Würzburg-Schweinfurt
* Contact: REFSQ25_RT@easychair.org
Stay tuned and follow us on:
Website: 2025.refsq.org/
LinkedIn linkedin.com/company/refsq
Twitter @WC_REFSQ

Kommentare anzeigen

chatGPT macht meine Arbeit nicht gerade leichter

Also, die paar Minuten, die ich dadurch spare, dass chatGPT mir etwas bastelt, verliere ich an anderer Stelle wieder mehrfach, wenn ich eine studentische Arbeit prüfe, ob sie von chatGPT stammen könnte. Ich habe inzwischen eine ganze Liste typischer Kennzeichen von chatGPT-generierten Hausarbeiten entdeckt:

- perfekte Rechtschreibung

- zahlreiche Aufzählungen

- Wiederholungen zwischen den Kapiteln

- oberflächliches Blabla

- Probleme mit den Quellenangaben

Gerade arbeite ich mich durch eine Hausarbeit. Auffällig ist schon, dass die Quellen der Inhalte am Kapitelende gesammelt für das gesamte Kapitel angegeben werden. Und wenn ich mir die Webseite ansehe - es werden nur Webseiten als Quellen verwendet - stelle ich fest, dass der Inhalt des Kapitels auf keiner der angegebenen Webseiten überhaupt behandelt wird! Leider ist das sehr aufwändig zu prüfen. Ein Beweis dafür, dass der Student seinen Text nicht selbst geschrieben hat, ist es noch lange nicht. Der letzte Student, mit dem ich über dieses Phänomen diskutierte, erklärte es mir so: Während seiner umfangreichen Literaturrecherche habe er die ganzen Quellen auf verschiedenen Tabs offen gehalten und als es dann darum ging, für die sorgsam recherchierten Inhalte die richtige Quelle anzugeben, sei er im Tab verrutscht. Leider kann ich ihm nicht nachweisen, dass es nicht so war. Aber ich kann ihm ordentlich Punkte für schlechte Zitierweise abziehen. Nachdem ich mir die Arbeit gemacht habe nachzuprüfen, ob die genannte Quelle den genannten Inhalt enthält. Neulich habe ich das sogar stichprobenartig für eine seltsam inhaltsleere Masterarbeit gemacht. Das kostet wirklich viel Extraaufwand! So viel Zeit kann ich durch die Verwendung von chatGPT für meine eigene Arbeit nie wieder einsparen. :-(

Aber ich mache mir die Arbeit trotzdem. Für die Gerechtigkeit. Ich fand das schon als Studentin ungerecht, wenn ich für meine tapsig (unerfahren) selbst geschriebenen Hausarbeiten eine 2 bekam, während Kommilitonen nicht im Traum daran dachten, irgendwann (weder im Studium noch im späteren Beruf) irgendetwas zu leisten und durch Tricks eine 1 einheimsten. Damals haben sie noch Hausarbeiten vom älteren Cousin eingereicht oder Ghostwriter engagiert, heutzutage ghostwritet eben chatGPT. Das finde ich nicht gerecht, damit mag ich sie nicht durchkommen lassen. Ich kann es nicht verhindern, dass arrogante Nichtleister sich durchs Studium schummeln und dann ratzfatz auf Führungspositionen gelangen, ohne jemals richtige Arbeit zu erbringen. Aber ich will trotzdem nicht den nützlichen Trottel spielen, der auf die dümmsten Tricks reinfällt. Ich will, dass es gerecht zugeht, dass gute Arbeit sich lohnt und schlechte Arbeit Konsequenzen hat.

Kommentare anzeigen

Denksport macht keinen Spaß??

Mit großer Verblüffung habe ich von einer Metastudie gelesen, die belegt, dass mentale Anstrengung sich normalerweise negativ anfühlt. Insgesamt 170 wissenschaftliche Studien zu dieser Frage wurden in einer Metastudie analysiert, und das Ergebnis war eindeutig: Denksport macht keinen Spaß. 

Das kommt für mich unerwartet. Beim zweiten Nachdenken wird mir klar, dass ich mir auch Angenehmeres vorstellen kann als mich mit statistischen Auswertungen herumzuschlagen, Code zu schreiben, der nicht auf Anhieb funktioniert, oder stundenlang wissenschaftliche Artikel zu lesen, um eine Literaturübersicht zu erstellen. Aber letztlich ist es beim Denksport genauso wie beim körperlichen Sport: Hinterher fühlt man sich gut. Das wurde hier anscheinend nicht untersucht. 

Genauso wie beim Sport gibt es auch beim Denksport zahlreiche Möglichkeiten der Belohnung im weitesten Sinne, indem Bedürfnisse befriedigt werden:

- Anerkennung: Bezahlung, Gewinnen eines Preises, Verleihen eines Zertifikats oder Titels

- Weiterentwicklung: Es fühlt sich gut an, wenn man das erste Mal über eine sehr hohe Stange gesprungen ist, eine besonders weitere Distanz gelaufen ist oder eine besonders kurze Zeit für dieselbe Distanz gebraucht hat. Genauso ist der erste Konferenzvortrag, die erste peer-reviewed Publikation und so weiter ein Erfolgserlebnis. Allerdings legt man dann gleich die Stange nochmal höher. :-)

- Zugehörigkeit: Man verdient sich durch Leistung die Zugehörigkeit zu einer elitären Community, zu einem Team o.ä.

- Sicherheit: Man fühlt sich stark und leistungsfähig, gesund und überlebensfähig. Leistung erhöht das selbstbewusste Gefühl, dass man im Leben schon klar kommen werde. 

Was natürlich aus dieser Studie folgt ist, dass man auch bei geistiger Arbeit genauso wie bei körperlicher Anstrengung mit seiner Energie haushalten muss. Pausen sind wichtig. 

Mir fiel aber auch spontan ein, wie spielerisch wir in der Grundschule an geistige Arbeit herangeführt wurden. Es fühlte sich nie wie Arbeit an, sondern wie Knobelspiele mit wachsendem Schwierigkeitsgrad. Da ich gut bei so etwas war, fand ich Spaß daran und habe den danach auch nicht mehr verloren. Der erste Eindruck zählt. Ich hoffe, das läuft in der Grundschule und auch später immer noch so. Voraussetzung ist natürlich, dass die Lehrer/innen selbst gerne geistig arbeiten und nicht vor jeder Matheübung sagen: "Ich weiß, das wird euch jetzt zu schwierig und wird euch keinen Spaß machen. Mir macht es auch keinen Spaß, aber da müssen wir jetzt alle durch."

Kommentare anzeigen

Software Engineering für KI

Mein Kurs "Software Engineering für KI" bei der Technischen Akademie Esslingen ist auch schon für nächstes Jahr eingeplant. Das nächste Mal findet er am 14.+15.10.2024 in Nellingen statt, und dann am 26.+27. März 2025 hybrid. 

Kommentare anzeigen

1 2 > >>