In meinem ganz normalen geschäflichen Alltag sammle ich fleißig Fallstudien für meine Kurse. Hier meine neueste... Ich schärfe meinen Kursteilnehmern immer ein, dass sie Verträge unbedingt lesen sollen, bevor sie sie unterschreiben. Man muss nicht alles unterzeichnen, die Unterzeichnung erfolgt freiwillig. Auch Sätze wie "Alle unsere Dienstleister unterschreiben diesen Vertrag" sind kein gültiges Argument. Und dann nenne ich ein paar Beispiele von Klauseln, die in Verträgen standen, die ich dann NICHT unterschrieben habe.
Ein Highlight war mal ein Vertrag, der mir auf die nächsten zehn Jahre verbot, im Bereich Requirements Engineering noch irgendetwas ohne Zusammenarbeit mit Firma X zu machen. Ich musste laut Vertrag alle meine Tätigkeiten in diesem Bereich mit dieser Firma abstimmen und ihr gehörten auch automatisch alle Rechte an sämtlichen meinen Arbeitsergebnissen. Diesen Vertrag zu unterschreiben wäre einem wissenschaftlichen und geschäftlichen Selbstmord gleich gekommen. An dieser Stelle kommt jetzt gerne der Kommentar, dass ich dafür ja sicher gut bezahlt worden sei. Nein, eben nicht. Es war eine Zusammenarbeit "auf gleicher Augenhöhe" (haha) im wissenschaftlichen Bereich. Zu den gemeinsamen Arbeitstreffen musste natürlich immer ich anreisen, da die Zeit meiner Geschäftspartner zu wertvoll dafür war, und die Reisekosten bezahlte ich natürlich auch selbst. Einige meiner Arbeitsergebnisse werden nun in der Firma als Schulungsmaterial verwendet und es ist sogar ein Patent daraus entstanden. Bezahlt wurde mir dafür nie irgendetwas. Ich habe, obwohl ich diese Geheimhaltungsvereinbarung nie unterzeichnet habe, trotzdem nicht so recht gewagt, auf dem speziellen Gebiet unserer Zusammenarbeit noch etwas zu machen oder meine eigenen Arbeitsergebnisse weiterzuverwenden, weil ich sonst vermutlich patentrechtliche Schwierigkeiten bekommen hätte. Die Firma ist dafür bekannt, in solchen Fällen ganz schnell zu klagen. Aber immerhin darf ich noch im Requirements Engineering arbeiten, ohne von X verklagt zu werden. Wie schön!
Andere meiner Beispiele sind weniger dramatisch, aber der neuste Aufreger ist mal wieder ein Meisterwerk. Ich hatte eine 40-stündige Schulung maßgeschneidert nach Vorgaben entwickelt, hochwertig, mit Musterlösungen und allem Drum und Dran. Laut meiner Faustformel, dass eine Stunde Kurs fünf Stunden Vorbereitung verursacht, und laut meinen Aufschrieben waren das 200 Stunden Arbeit. Man hatte mir in Aussicht gestellt, dass das eine längerfristige Zusammenarbeit würde und ich den Kurs mehrmals pro Jahr halten könne. Inzwischen haben sie beschlossen, den Kurs doch nicht mehr durch eine externe Dozentin halten zu lassen, sondern durch einen ihrer Angestellten. Um mich zu trösten (oder von einer Klage abzuhalten, die Kunden machen das immer so, wenn sie mir Unrecht tun) stellte man mir in Aussicht, dass ich dafür einen anderen 40-Stunden-Kurs neu entwickeln dürfe (was ich wegen Vollauslastung ablehnte) und dass sie gelegentlich ja feste Stellen ausschreiben und ich mich darauf bewerben dürfe. Natürlich ohne Garantie, eingestellt zu werden. Bevor nun der Kontakt ganz abbricht, sendet man mir noch einen neuen Rahmenvertrag, der eine Klausel enthält, dass die Nutzungsrechte an meinen Kursunterlagen an den Kunden übergehen. Ich habe sofort die vorige Version aufgeschlagen, um zu sehen, ob ich beim Unterschreiben etwas übersehen hatte, aber dort stand dieser Satz noch nicht drin. Es wäre mir neu, dass ich solche Klauseln unterschreibe. Einerseits ist es ja rechtlich korrekt, dass sie den Diebstahl meiner Unterlagen rechtlich absichern. Andere tun das nicht und riskieren, dass ich irgendwann durch einen bösen Zufall dahinter komme, dass sie meine Kursunterlagen weiterverwenden. (Solche bösen Zufälle gibt es. Sie wissen schon, das berüchtige Gespräch in einer Hotelbar... So habe ich von dem Patent erfahren.) Aber ich werde diesen Vertrag nicht unterschreiben. Ich wüsste nicht, was mich dazu motivieren sollte. Ich wurde bezahlt für 80 Kursstunden, und die habe ich auch gehalten. Ich schenke denen nicht noch 200 Stunden Kursvorbereitung dazu, auch wenn ich vermutlich diesen Kurs sonst nirgends mehr halten kann.
Puh, also mit Leuten, die solche Verträge erstellen, sollte man gar nicht zusammenarbeiten... Und dann wollte mir neulich noch jemand einreden, ich trage kein finanzielles Risiko, weil ich für jede Kursstunde bezahlt werde. Tja, schon, aber der Großteil der Arbeit ist ja die Vorbereitung! Und dafür bezahlt mich keiner. Es ist nicht so, dass ich mich weigern würde, Lizenzgebühren für meine Kursunterlagen zu akzeptieren. Nur ist momentan das Urheberrecht in Deutschland noch genauso unbekannt und irrelevant wie die Datenschutzgesetze vor diesem Mai.
Also echt, Sachen gibt's... Papier ist geduldig, da kann man die unmoralischsten Klauseln drauf drucken...