Wenn wir für unsere Arbeit kritisiert werden, kann das zwei Gründe haben: Die Arbeit war wirklich schlecht und wir sollten uns verbessern. Oder die Arbeit war OK, aber man wurde diskriminiert. Gleichzeitig hat man auch die Wahl, die Kritik als sachliche Kritik oder als Diskriminierung wahrzunehmen. Dabei kann es natürlich false positives und false negatives geben. Wir können, zumindest als Anfänger, die Qualität unserer Taten und Werke oft nicht selbst objektiv einschätzen und vor allem können wir nicht in den Kopf des Gegenübers hineinsehen. Zumal ich vermute, dass Menschen, die diskriminierend jemanden extrahart aburteilen, sich dessen selbst nicht bewusst sind, sondern spontan von der Person des Gegenübers genervt sind und dann krampfhaft objektiv klingende Gründe für ihre eigene politisch inkorrekte und unbegründete Aggression suchen. Die wenigsten Leute wollen sich selbst als ungerechten Menschen sehen.
Bei meinen Recherchen bin ich gerade über einen Artikel gestolpert, der zwar nicht die Frage beantwortet, die ich gerade untersuche, aber trotzdem interessant ist:
Wenn man die Kritik als Diskriminierung interpretiert, rettet man damit den Glauben an die eigene gute Arbeit und den hohen Wert als Person oder Mitarbeiter/in. (Ich habe beobachtet, dass das keine gute Strategie ist, weil die Leute, die jede sachliche Kritik als Diskriminierung abtun, sich fachlich nicht weiterentwickeln, bewegungsunfähig und passiv-aggressiv in ihrer Opferrolle feststecken und außerdem ihre Vorgesetzten vor den Kopf stoßen.)
Wenn man stattdessen die Kritik als sachliche Kritik interpretiert, sogar dann, wenn es sich um Diskriminierung handelt, dann rettet man damit seinen Glauben daran, dass man sein Schicksal selbst bestimmen kann und in dieser Gesellschaft noch etwas werden kann.
Interessanter Gedanke. Aber auch traurig irgendwie, weil man sich im letzteren Fall weiterbildet und noch härter arbeitet und dabei ganz übersieht, dass man mit egal wie viel Leistung die Diskriminierung nicht überwinden kann. Der soziale Status bleibt ein Minderheitenstatus. Auf diese Weise lernt man jegliche Regel exzellenten Arbeitens kennen und einzuhalten, während gleichzeitig andere Leute mit schlampiger Arbeit schon zwei Karrierestufen weiter sind. Man wird ja zum Glück nicht immer und überall so massiv diskriminiert, dass selbst die beste Leistung einen nicht voran bringt und Jammern bringt ja auch nichts, aber irgendwie muss man aus diesen Überlegungen schlussfolgern, dass die diskriminierte Minderheit nur die Wahl zwischen Hölle und Fegefeuer hat.