In der Schule lernen sie es schon, und am Ende machen sie es auch im Berufsleben.
Neulich las ich auf einer Webseite über Fischreiher unten zahllose Kommentare von Schülern, die sich für den guten Text bedankten, der ihnen eine 1,x-Note für ihr Referat in Biologie eingebracht hatte. Das erinnert mich an Schule und Studium, wo ich mir mit Referaten viel Arbeit machte, ganze Nachmittage in der Bücherei verbrachte und am Ende mit einer 2 heraus kam, weil ich als Fachautor noch nicht fertig ausgebildet war. Meine Komilitonen dagegen reichten Hausarbeiten von älteren Geschwistern oder Geschwistern von Freunden ein, erhielten ohne Aufwand eine Eins und lachten sich noch über mich kaputt, weil ich so dumm war, meine Aufsätze selbst zu schreiben. Mein "Aber so lernst du ja gar nicht, wie es geht" brachte sie noch mehr zum Lachen. Hm, inzwischen lache ich wohl besser, denn ich verdiene inzwischen Geld mit dem Schreiben. Sie müssen immer noch plagiieren. Vermutlich fehlen ihnen nicht nur die flüssige Umwandlung von Gedanken in Text, sondern sogar die Gedanken dazu.
Als Dozent kenne ich bei Plagiaten keine Gnade, denn ich will nicht, dass sie bei mir lernen, dass es funktioniert. Es ist auch ungerecht denjenigen Studierenden gegenüber, die sich viel Arbeit machen und dann eine lange Liste von Kritikpunkten einhandeln. Plagiate sind oft sehr dämlich gemacht. Die Textdiebe scheinen sich sehr sicher zu fühlen, dass kein Gutachter sich die Zeit nimmt, den Text zu lesen, bevor er die Note vergibt. Da stehen mitten im Text Dinge wie "Mehr Informationen über dieses Thema finden Sie unter dem Link rechts oben", der angeblich selbst geschriebene Java-Code ist mit Latex-Tags und Seitenzahlen durchsetzt, oder es sind ganze Seiten aus Standards und Online-Texten herauskopiert. Ein Student wollte mir ein online verfügbares Software-Projekt als seine Projektarbeit unterjubeln. Literaturteil, Anforderungen und Code hatte er von verschiedenen Webseiten kopiert, und darum passten sie auch gar nicht zusammen. Immerhin passte die Schriftart, aber das ist auch nicht immer so. Also, das Studium ist die Lebensphase, in der man Tätigkeiten selbst ausprobiert, um sie zu erlernen. Wann denn sonst?
Neulich stolperte ich über dieses C++-Plagiat:
https://www.modius-techblog.de/programmierung/c-klasse-grundlagen-mit-einer-raumschiff-klasse/
Das klingt doch als habe der junge Mann den Code selbst geschrieben. Tatsächlich stammt er 1:1 aus Heiko Kalistas "C++ für Spieleprogrammierer". Für Dozenten ist es immer wieder ein zweifelhafter Spaß, Studenten zu bitten, den von ihnen angeblich selbst geschriebenen Software-Code zu erklären. Je eleganter der Code, umso sicherer handelt es sich um ein Plagiat.
Und nun werden schon ganze Betriebssysteme plagiiert.
Und ich schimpfe mit meinen Studenten, wenn sie kleine Icons aus dem Internet stibizen...
Simon Ehrlich