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Dieter Nuhr: Gibt es intelligentes Leben?

Eigentlich ist die Idee gut: Auf der Grundlage von wissenschaftlichen Studien und interkultureller Vergleiche wird erarbeitet, was Intelligenz ist und wie relativ das sein kann, was man in unterschiedlichen Kulturen unter klugem Verhalten versteht.

Allerdings ist es Dieter Nuhr mit diesem Buch nicht gelungen, das umzusetzen. Es scheint eher so zu sein, dass er sich vom Verlag eine touristische Weltreise hat finanzieren lassen, bei der es mangels Vorbereitung unterwegs keine Interviews mit Experten gab, sondern nur die oberflächliche Touristensicht vermengt mit Vorurteilen, die man sich auch vom heimischen Schreibtisch aus hätte im Internet recherchieren können. 

Sprachlich wohl formuliert aber ohne erkennbare inhaltliche Struktur, werden hier nicht nur viele Klischees übergangslos mit wissenschaftlichen Erkenntnissen vermischt, sondern vor allem macht sich der Autor auf arrogante Weise über fast alle Menschen lustig: Übergewichtige, Verbrecher mit schwieriger Kindheit, Japaner, Chinesen und Amerikaner, Richter, Frauen und die katholische Kirche einschließlich dem Papst. Damit befriedigt er niedere Instinkte, nämlich dass jeder Mensch danach strebt, sich selbst für klüger als 98% der restlichen Weltbevölkerung zu halten. Vielleicht klappt es ja auch bei 98% der Bevölkerung, dass sie sich nach der Lektüre besonders schlau vorkommen. Ich fühle mich eher verarscht.

Die wenigen wissenschaftlichen Studien, die ins Buch eingeflossen sind, muss man mit der Lupe suchen und die Quellenangaben genügen nicht wirklich, um sich die Originalstudie zu besorgen. Kaum denke ich als Leserin "Oh, hier mal echte Information", dann gleitet der Text wieder ins Fiese ab. Da heißt es, dass dumme Menschen, wenn sie ihre Dummheit erkennen würden, sich sofort selbst erschießen würden. Das finde ich nicht lustig, sondern geschmacklos. Vermutlich liegt das daran, dass ich zu diesen Leuten gehöre, die sich wegen Dummheit selbst erschießen sollten? Liegt dieses Buch einfach über meinem intellektuellen Niveau? Nach dem Motto "Wer das hier nicht lustig findet, der ist doof"? 

Es heißt auch, dass dumme Menschen glücklicher seien. Vielleicht sollte ich das mal anstreben, dann würden mir solche Bücher keine so großen Schmerzen mehr verursachen, sondern wären mir egal. Hauptsache das Frühstücksei hat die richtige Konsistenz. Mein großes Vorbild sind sowieso meine Schildkröten. So schlichte Gemüter, aber ganz leicht glücklich zu machen. Beispielsweise mit dem Löwenzahn, den ich jetzt gleich pflücken gehe... 

Dieter Nuhr: Gibt es intelligentes Leben?

Rowohlt Taschenbuch Verlag, 2006

Taschenbuch, 188 Seiten

ISBN 978-3-499-62076-8

 

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Fake-News 2002: Peter Lustig ist kein Kinderhasser

Fake-News gibt es schon viel länger als das Internet. Man rätselt noch heute, ob es die Urkunde für die Pippinsche Schenkung im Mittelalter oder die Konstantinsche Schenkung jemals gegeben hat. Sind diese wichtigen Papiere einfach nur verloren gegangen oder haben sie nie existiert? Immerhin basiert der Vatikan auf der Pippinschen Schenkung. Heribert Illig behauptet sogar in seinem Buch "Das erfundene Mittelalter", dass beinahe 300 Jahre des Mittelalters komplett erfunden sind; zugehörige Dokumente sind entweder komplett falsch oder zumindest absichtlich falsch datiert. In diese Zeit fällt auch das Leben von Karl der Große, der ähnlich wie Napoleon, die Ländergrenzen und die Gesetze ganz Europas gestaltet haben soll. Napoleon gab es aber wirklich.

Einerseits war es damals leichter, Dokumente und Nachrichten zu fälschen, weil nur wenige Menschen überhaupt schrieben und gerade die wenigen, die Bescheid wussten, einander gut kannten. Sie waren eng und international miteinander vernetzt über Königshöfe und Klöster, gegenseitige Besuche und Personalaustausch. Falsche Gerüchte konnten also leicht unter den Mächtigen und Gebildeten mit scheinbar seriöser Quellenangabe verbreitet werden. Und niemand konnte den Wahrheitsgehalt nachprüfen.

Heutzutage kann wirklich jeder Fake News in Umlauf bringen und selbst ein pseudoseriöses Gehabe in Gestalt eines scheinbaren Interviews mit einem angeblichen Experten kann leicht vorgetäuscht werden. Andererseits ist die Wahrheit - zumindest für Geschehen der näheren Vergangenheit - ebenfalls irgendwo im Internet zu finden. Im Fall der Geschichtsfälschung würde sicher irgendein Mönch mit schlechtem Gewissen den Whistleblower machen oder die Wahrheit als "Gerücht" über die Verschwörung in interessierten Kreisen weitergeben. Heutzutage ist es sehr viel schwieriger, die Wahrheit zu verbergen.

Trotzdem... Ich habe gerade einen Beitrag gesehen darüber, wie Peter Lustig 2002 in den Ruf kam, ein Kinderhasser zu sein. Tatsächlich hatte ich dieses Gerücht auch schon mehrfach gehört. Einerseits habe ich nicht nach der Wahrheit recherchiert, weil es mir nicht wichtig genug war. Anderseits hatte sich das falsche Gerücht in meinem Kopf genau darum festgesetzt, weil es so unerwartet war und mich enttäuschte. Ich habe Peter Lustig nämlich echt gut gefunden. Löwenzahn und die Sendung mit der Maus sind definitiv der Grund, warum ich einen technischen Beruf ergriffen habe. Dass Peter Lustig seine Freundlichkeit und Neugier eventuell nur vorgespielt hat, fände ich nicht so schlimm, aber es bringt doch eine kleine Spur von Bitterkeit in die Erinnerung hinein. Ich bin froh, dass er doch kein Kinderhasser war, sondern eben doch authentisch. Sag ich mal als Trainerin. Denn natürlich bin ich auch so etwas wie eine Schauspielerin. Auch wenn es mir nicht gut geht, täusche ich im Kurs gute Laune vor. Aber meine Freude am Wissen und Lernen ist nicht gespielt. Das kann man gar nicht einen ganzen Tag lang vortäuschen.

Letztlich war das Gerücht, Peter Lustig hasse Kinder, eine Rache einer bestimmten Zeitung, die er kritisiert hatte. Damit haben sie jedoch der Gesellschaft einen schlechten Dienst erwiesen und eine Gute-Laune-Sendung beschädigt, die Neugier, Experimentierfreude und Spaß am Wissen gefördert haben und fördern. Und das schon bei den Kleinen!

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Gender-Forschung mit Mitteln der Data Science - mein Vortrag am 15.04.2024

Am 15.04.2024 halte ich an der FernUni Hagen hybrid einen Vortrag mit dem Titel "Gender-Forschung mit Mitteln der Data Science" über die Zwischenergebnisse meiner Gender-Forschung. Die Einladung finden Sie hier

Der Abstract zum Vortrag lautet:

Prof. Dr. Andrea Herrmann wird über Frauenanteile in den MINT-Fächern sprechen (MINT = Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik). Dabei geht es um die magische 30%-Grenze, die der Frauenanteil überschreiten müsste, damit Frauen keine Minderheit mehr wären. Auch innerhalb der technischen Fächer und innerhalb der Informatik bearbeiten Frauen eher die "weichen" Themen, das heißt, auch hier herrschen Klischees. Im Vortrag werden anhand von Daten, Zahlen und Statistiken Mechanismen diskutiert, die zu diesen geschlechtsspezifischen Ungleichgewichten führen - sowohl die scheinbar freiwillige Themenwahl als auch verschiedene Auswahlmechanismen im Berufsleben.

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REFSQ-Programm 2024 online

Das Programm der REFSQ-Konferenz zum Requirements Engineering ist nun fertig und online auf der Konferenzwebseite. Ich werde voraussichtlich nur am Montag 8.4. da sein zum CreaRE-Workshop zum Thema Kreativität und Requirements Engineering. Der findet dieses Jahr ganztägig statt, und wir konnten ein abwechslungsreiches, vielversprechendes Programm aus Vorträgen und interaktiven Sitzungen zusammenstellen. Ich freue mich schon darauf!

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call for papers: EmpiRE workshop (Workshop in Empirical Requirements Engineering)

In den nächsten Tagen ist die Einreichungsfrist für Beiträge für den EmpiRE-Workshop über empirisches Requirements Engineering. Ich bin bei diesem Workshop im Programmekomitee. 

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Seminare über Requirements Engineering im März und April

Meine nächsten beiden offenen Seminare über Requirements Engineering an der Technischen Akademie Esslingen sind diese:

13.-15.03.2024 Seminar "Software Requirements Engineering"

26.04.2024 Seminar "Grundlagen des Requirements Engineering"

 

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