Die letzten Monate habe ich mal wieder eine Zeitmanagement-Technik ausprobiert. Ich hatte nämlich festgestellt, dass ich mit dem Bücherschreiben wenig voran gekommen bin. Darum dachte ich mir, es mache Sinn, dass ich mir für jeden Tag ein gewisses Zeitbudget für jede Tätigkeit zuweise. Ich definierte folgende Kategorien: E-Mails, Gutachten, Lehre, Orga, Haus und Garten, Forschung, Schreiben, Sport. Jede davon schrieb ich auf einen kleinen Zettel. Die Idee war die, dass ich versuche, jeden Tag mindestens eine Aufgabe aus jeder dieser Kategorien zu bearbeiten. Da es acht Kategorien sind, klang es erstmal plausibel, dass ich jeden Tag ungefähr eine Stunde in jeder Kategorie arbeite. Dazu kommen dann noch Besprechungen und zusätzlich dringende Aufgaben. Auf diese Weise würde ich sicherstellen, dass ich auch Zeit finde für wenig dringende Aufgaben und sich meine Arbeitsaufwände gleichmäßiger auf die Kategorien verteilen. Insbesondere wollte ich Zeit fürs Schreiben finden und für die Aufgaben, die ich meinem Zeitmanagement-System die "grünen" nenne: langfristige, große Aufgaben wie das Schreiben eines Buchs.
Hier nun meine Erfahrungen damit...
Gut funktioniert hat es für solche Aufgaben, die ich sowieso schon immer täglich erledigt habe. Beispielsweise "Haus und Garten", für das ich mir dann aber mehr Zeit nahm. Mein Garten ist nun tadellos frühlingsbereit! Diese Aufgaben habe ich in der Mittagspause erledigt, während der Auflauf im Ofen köchelte. Tatsächlich hatte ich das vorher schon gemacht. Nun hatte ich noch zusätzlich die Befriedigung, jeden Tag die zugehörige Karte vom Unerledigt-Stapel auf den Erledigt-Stapel zu verschieben.
Gutachten, E-Mails und Orga waren auch Kategorien, die von dieser Technik profitierten. Gewohnheitsmäßig schreibe ich jeden Morgen ein Gutachten, während ich frühstücke. Meine Notizen ins Reine zu schreiben kann ich auch, bevor ich ganz wach bin, und es gibt mir das gute Gefühl, für heute schon Umsatz generiert zu haben. E-Mails und Orga vergesse ich gerne mal, wenn ich konzentriert am Arbeiten bin, mit denen bin ich jetzt besser auf dem Laufenden als zuvor.
Da ich für manche Tätigkeiten wie E-Mails und Lehre an vielen Tagen mehr als eine Stunde brauche, gedachte ich, diese Extrazeit z.B. beim Sport abzuknapsen, indem ich nur 10 Minuten Gymnastik mache statt einer Stunde. Tatsächlich fiel der Sport vollständig hinten runter, außer meinem üblichen Sonntag-Jogging. Nicht dass ich nicht willens war, aber die anderen Aufgabenkategorien waren dann doch dringender und auch deutlich aufwändiger als eine Stunde.
Auch hinten runter gefallen sind meistens Forschung und Schreiben, leider, und das nicht nur an den Telefoniertagen und Kurstagen. Für die Kursvorbereitungen brauchte ich öfter mal etwas mehr Zeit. So wie momentan für die Übersetzung einer dreitägigen Schulung für nächste Woche. Da ich nicht unvorbereitet in die Schulungen will, ist die rechtzeitige Fertigstellung ein Muss.
Negativer Effekt der Technik war, dass ich oft kurze, unwichtige Aufgaben mit hoher Priorität bearbeitet habe, um eines der Kärtchen verschieben zu können. Gleichzeitig hat diese Technik aber auch dazu geführt, dass die frei verfügbare Zeit, in der ich an größeren, grünen Projekten arbeiten kann, weniger wurde als je zuvor. Dabei sind es gerade diese Zeiten, die mir das Gefühl geben, kreativ, frei und produktiv zu sein.
Gutachten und Kursvorbereitungen sind die Pflicht, die grünen Aufgaben die Kür. Und obwohl ich diese Technik eingeführt habe, um für diese mehr Zeit zu finden, trat genau der gegenteilige Effekt ein. Die unerwünschte psychologische Verzerrung, dass man manchmal unwichtige kleine Aufgaben den grünen Aufgaben vorzieht, weil deren Abhaken ein kleines Erfolgserlebnis bieten, wurde sogar noch verstärkt. Ich hatte auf das Gegenteil gehofft, nämlich dass das Verschieben der Karte "Schreiben" sich wie ein Erfolgserlebnis anfühlt, auch wenn ich nur wenige Seiten geschafft habe.
Im Prinzip habe ich aber genauso priorisiert wie zuvor, nur ein wenig schlechter. Die Karten hatten wenig Einfuss, weil der Tag einfach zu kurz war, um wirklich an jeder Kategorie zu arbeiten. Vielleicht waren es auch zu viele?
Ich muss dann demnächst etwas anderes ausprobieren...