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Evi Hartmann: Ihr kriegt den Arsch nicht hoch - Über eine Elite ohne Ambition

Die arbeitende Bevölkerung teilt sich in zwei verfeindete Lager auf: die Leistungselite und die Pseudoelite. Zwischen diesen kracht es. Sie kennen das sicher.

Die Leistungselite, das sind die 10-20 % eines Teams, die tatsächlich die Arbeit voran bringen, sogar freiwillig mehr Aufgaben übernehmen und erledigen als die anderen. Sie tun das auch dann, wenn es ihnen keine Anerkennung bringt, weil ihnen wichtig ist, dass Dinge erledigt werden und das Ergebnis stimmt. Machen macht sie glücklicher als Haben. Sie finden in der Arbeit ihre Selbstverwirklichung.

Die Pseudoelite leistet absichtlich nichts, weil ihre Prioritäten woanders liegen: Sie wollen Work-Life-Balance, Status, Geld und Glamour. Leistungsverweigerung ist ihr Statussymbol. Sie halten sich für etwas Besseres als die armen Tropfe, die tatsächlich etwas leisten. Diese Elitisten glauben, ihren Beitrag zum Ergebnis geliefert haben, indem sie anderen sagen, was sie zu tun haben, und verstehen gar nicht, worüber sich die Leistungselite dabei überhaupt aufregt. Sie legen eine "schamfreie Anspruchshaltung" an den Tag. Sie verstehen die Leister so überhaupt nicht, dass sie ihnen sogar psychische Störungen und Anomalien andichten. Das Konzept der Leistung existiert in ihrem Weltbild gar nicht.

Prof. Evi Hartmann steht ganz klar auf Seiten der Leister. Diese bringen nicht nur Projekte, sondern auch die Firma und die deutsche Wirtschaft voran, "tragen sie in die Zukunft". Die Pseudoelite schafft keine Mehrwerte, sondern vernichtet sie oft sogar. Sie demotivieren mit ihrer Herablassung die Leister und und zerstören den Teamgeist.

Zahlreiche Beispiele belegen in diesem Buch, dass es die Pseudoelite tatsächlich gibt. Kein Leister würde das in Frage stellen, denn wir alle kennen Vertreter dieser Gattung. Nur ist es bisher ein Tabu, darüber zu reden oder sich darüber aufzuregen. Ich bin auch gar nicht sicher, ob sich das mit diesem Buch ändert, denn wie Frau Hartmann feststellt, liegen die Führungspositionen und die Meinungsführerschaft fest in den Händen der Pseudoeliten. "Leistung" taucht in der Definition von Eliten fast nie auf, wird auch in der Presse selten thematisiert. Man liest stattdessen oft genug, dass Arbeit ungesund sei. Es gab bisher auch kaum Studien über Leistung und Nichtleister. Die Professorin schätzt das Verhältnis zwischen Leistungselite und Pseudoelite auf 1:9 bis 3:7. Problematisch an diesem Ungleichgewicht: Leistung macht zum Außenseiter.

Gefördert wird die Pseudoelite durch moderne Trends wie z.B. die kleinteilige Zerlegung von komplexen Aufgaben und der hohe Status von Schein statt Sein. Der Beitrag des Einzelnen innerhalb der Teamarbeit ist oft nicht gut sichtbar oder überwachbar. Seltsamerweise widerspricht und widersteht keiner der Pseudoelite. Und da ihr Gehabe und ihre Leistungsverweigerung gesellschaftlich akzeptiert werden und sie damit durchkommen, steigt ihr Ego noch weiter. Sie machen ja offensichtlich alles richtig. Sie werden für ihre Leistungsverweigerung durch mehr Freizeit und sogar Anerkennung belohnt. Und - noch besser: Wer nicht leistet, kann auch nicht versagen. Wenn sie die Arbeit liegen lassen, erledigt sie ein anderer. Werden sie zur Rede gestellt, gehen sie frech zum Gegenangriff über, so dass sich das bald keiner mehr traut. Oft annektieren sie auch einfach die Arbeit, die andere geleistet haben.

Wie kommen wir da raus? Leistung muss erstmal überhaupt ein Thema werden, in Forschung, Medien, alltäglichem Reden, Kindererziehung, Firmenkultur und Mitarbeiterbewertung. Kinder erlernen das Leistungsprinzip am besten im Sport. Überhaupt sollten die Kleinen nicht dafür gelobt werden, dass sie toll SIND, sondern etwas leisten, sich Mühe geben, also für das, was sie TUN. Auch im Berufsleben sollte das Feedback und die Bewertung eines Mitarbeiters durch den Vorgesetzten eher daran gemessen werden, was er leistet (also was er an Mühe investiert) als am Erfolg, dem was herauskommt, denn diesen Erfolg kann er selbst gar nicht ganz beeinflussen.

Nur weil Leistungsverweigerung so häufig ist, müssen wir sie nicht als normal akzeptieren. Beim Einstellungsgespräch sind Pseudoelitisten ganz gut zu erkennen an ihren hohen Ansprüchen. Dass sie bisher noch nichts geleistet haben und das auch in Zukunft nicht vor haben, lässt sich schwerer prüfen, doch dafür ist die Probezeit da.

Als Leister muss man sich unbedingt mit Gleichgesinnten verbünden, auch abteilungsübergreifend, um nicht unterzugehen, auszubrennen oder zu verzweifeln. Die Pseudoelite muss entlarvt werden und darf zumindest keine Unterstützung mehr erfahren, ganz gleich wie charmant sie um Entlastung bitten.

Evi Hartmann versucht zu guter Letzt, die beiden Parteien miteinander zu versöhnen. Es sind eben zwei unterschiedliche Kulturen, die bei genügend Toleranz koexistieren können. Hilfreich für das friedliche Zusammenleben wäre aber eine leistungsgerechte Behandlung. Wenn die Pseudoelite ihre Freizeit so wichtig findet, während andere Überstunden leisten, wäre es nur gerecht, wenn sich dies auch in der Bezahlung und dem Maß der Anerkennung widerspiegeln würde. Leistung ist doch das, wofür der Gehalt bezahlt wird, oder nicht?

Ich persönlich finde es gut, dass dieses Tabu gebrochen und das Thema angestoßen wird. Mir bereitet der ewige Kampf mit der Pseudoelite auch viele Schmerzen. Lange Jahre konnte ich gar nicht glauben, dass es solche Menschen tatsächlich gibt und die das ernst meinen. Doch, das tun sie. Wäre mir das früher klar geworden, hätte ich mich auch früher selbständig gemacht. Denn ungestört leisten kann man nur als Freiberufler. In einem Team, das einen ausbremst, und wo ich ständig kurzfristig die Aufgaben anderer übernehmen muss, aber selbst nie Hilfe erhalte, fühle ich mich nicht wohl, wofür dann auch die arroganten Sprüche der anderen sorgen. Meine Suche nach einem Arbeitsplatz, wo Leistung wert geschätzt wird, verlief leider vergeblich. So viel zu diesem Thema für heute. Ich hab noch was zu tun...

 

 

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