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Weihnachtsfilm: Stille Nacht, raue Nacht

In der ZDF-Mediathek kann man aktuell den Film "Stille Nacht, raue Nacht" ansehen. Zuerst befürchtete ich einen deutschen Kitschfilm, der amerikanischen Weihnachtskitsch imitiert. Er ist doch schöner geworden. :-) Es geht um die ernsten Fragen: Wie soll man denn optimistisch in die Zukunft blicken? Oder gar Kinder in diese untergehende Welt setzen?

Diese Fragen stellte sich meine Mutter schon in den 70ern. Zum Glück hat sie das nicht aufgehalten, eine Familie zu gründen, sonst gäbe es mich gar nicht. Neulich sah ich einen Cartoon mit der Überschrift "Die Jugend hat ihren Optimismus wiedergefunden". Gezeigt wird ein Jugendlicher in einem T-Shirt mit der Aufschrift "vorletzte Generation".

Ja, die Situation ist ernst! Wer wüsste das besser als Liane, die junge Klimaforscherin, die hart arbeitet, damit sie mal nicht auf einem prekären Job landet. Sie lebt mit ihrem Freund Philipp ökologisch korrekt in einem Doppelhaus in einem Vorort Hamburgs. Die Nachbarn mit ihren zwei Töchtern leben etwas weniger korrekt. 

Als Philipp von Liane eine Entscheidung fordert "Kinder her oder ich gehe", sagt sie "nein". Und er geht. So verbringt sie eigentlich Weihnachten alleine. Aber dann taucht überraschend Mani auf, ein Bekannter von Lianes Schwester, von dem sie einiges lernen kann. Und Philipp hat die Absage bei den Schwiegereltern vermasselt. Ein heftiger Weihnachtssturm treibt sie dann alle auf engem Raum zusammen mit den Nachbarn. Und am Ende sind alle diese skurrilen Menschen Freunde und verstehen sich selbst besser. 

Vor allem haben wir dann alle gelernt: Die Zukunft ist grundsätzlich ungewiss. So vieles kann passieren. Umso wichtiger ist es, dass wir alle zusammenhalten, egal was kommt. Und dass wir heute leben.

Seufz. Der beste Weihnachtsfilm, den ich seit Jahren gesehen habe. Dann machen wir jetzt mal alle die überdimensionierten, stromverschwendenden Lichterketten aus und zünden ein kleines Kerzchen für die Hoffnung an... 

 

 

 

 

 

 

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Notizen vom Fachgruppentreffen Requirements Engineering

Am Donnerstag und Freitag tagten wir also bei sonnigstem Herbstwetter in Köln, um uns über "GenAI und RE" auszutauschen. Hier ein paar Notizen dazu:

Am Donnerstagnachmittag zählte ich 36 Teilnehmer/innen, davon 13 Frauen. Das ergibt einen Frauenanteil von beachtlichen 36 %. Insgesamt gab es mehr Teilnehmende, da nicht jede/r die ganze Zeit über dabei sein konnte.

Als Key Learnings habe ich mir in den Vorträgen notiert:

- chatGPT ist kreativ, und die Qualität dieser Kreativität hängt vom Prompt ab (A. Rachmann)

- KI kann Tracelinks zwischen Anforderungen mit höherer Präzision identifizieren als frühere Algorithmen (Vibhashree Hippargi kommt auf 90% Präzision, ich erinnere mich dunkel an 70 % aus der Prä-KI-Ära)

- schlechte ("smelly") Anforderungen in Prompts müssen kein Problem darstellen, können sie aber (A. Korn und A. Vogelsang)

- auch beim Prompting und der Prompt-Optimierung kann es Overfitting geben (N. Reiter)

- natürlich kann KI Anforderungen verfeinern, macht dabei aber natürlich Fehler (Jianwei Shi)

- 4-R-Regel für KI-Verwendung lautet: review, review, review, review!

- menschliche Intelligenz ist auch nicht perfekt

Die Folien werden demnächst auf der Treffen-Webseite veröffentlicht, kurze Artikel dazu in den Softwaretechnik-Trends.

 

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Survey: GenAI in RE

Das IREB führt eine Umfrage durch zum Thema "Generative KI im Requirements Engineering". Um Teilnahme wird gebeten, insbesondere wenn Sie schon ein wenig Erfahrung damit haben. 

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IREB-Arbeitskreis AI: neue Webseite

Da das IREB eine neue Webseite hat, ist auch unser KI-Arbeitskreis umgezogen. Sie finden die neue AK-Webseite hier.

 

 

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Bad Influencer versus Feminismus-Influencerin

Und noch ein Fundstück aus der ARD-Mediathek. In der Serie "Bad Influencer" finde ich gleich zwei Themen, die mich berühren: der Einfluss der Digitalisierung des Lebens auf die Menschen und der Feminismus. Donna erinnert mich an mein jüngeres Ich, das nicht einsehen wollte, dass wir gegen den Machismus niemals ankommen werden. Sie ist traumatisiert, wütend und kämpft mit vollem Einsatz.

Donna will keinen Fame, sondern einfach nur ihre Miete bezahlen. Leider wird sie aber von Pickup-Artist Pascal beim One-Night-Stand gelivestreamt und erntet mit ihrem anschließenden Wutanfall ganz viele Likes, Hates, Shares und Kontaktanfragen. Ihr Exfreund sieht seine Chance, sie zur Influencerin zu pushen und ruft: "Donna, was meinst du, wie viel Geld man momentan mit Feminismus machen kann!" 
Sie versucht, ihr Leben so weiterzuleben wie bisher, aber das klappt keinen einzigen Tag mehr. Anderthalb Millionen Menschen haben sie halbnackt gesehen. Sie verliert ihren Job und kann nicht mal an die Tür gehen, um die Pizza reinzuholen, ohne erkannt und gefilmt zu werden. Wütend sagt sie den Machos, Incels und Antifeministen den Kampf an. Innerhalb einem Monat will sie mehr Follower haben als dieser Pascal, der sie reingelegt hat. Und sie legt all ihre Wut in diese Mission... Von der sorgfältig frisierten und beherrschten Kellnerin eines Nobelrestaurant ist bald nichts mehr übrig.

Leider entspricht es der Logik der Massenmedien, dass extreme Gefühle und Hass mehr Klicks mehr bringen als konstruktive, sachliche Berichte. Pascal, der seiner Meinung nach das Arschloch nur spielt, erklärt es Donna so: "Diese Hater checken nicht, dass sie Teil deiner Zielgruppe sind. Deine Hater machen dich noch größer als deine Fans."

Die hier gezeigte Welt wirkt auf mich gruselig: Alle sind Influencer, alle streben nach möglichst vielen Klicks, und damit ist nichts mehr privat. Im Fitnessstudio wird mehr gefilmt als trainiert, so als würde man Sport nur für die Follower machen, nie für sich selbst. Bei jeder Gefühlsäußerung filmen alle Gaffer mit. Insbesondere wenn Donna und Pascal sich im Real Life über den Weg laufen.

Donna schreit und pöbelt, sie lässt ihre fucking Wut ungefiltert heraus. Dabei wird sie leider von anderen benutzt und instrumentalisiert. Das führt dazu, dass sie sich letztlich mit ihrem Influencer-Ehrgeiz mehr entblößt als ein einziges verwackeltes, dämmriges Pascal-Video das hätte tun können. Das wäre einfach nach unten gerutscht und vergessen worden. Aber so hat Donna einen Krieg begonnen, den sie in der Machowelt niemals gewinnen konnte. Plötzlich hängen gut ausgeleuchtete Sexfotos von ihr an jeder Litfasssäule. Egal was sie tut, es führt sie nicht zu einem glücklichen Privatleben zurück und erst recht nicht zu einem neuen, seriösen Job.

Am Ende hat Donna gewonnen und verloren. Sie hat die 1,5 Millionen Follower erreicht, aber ganz viel dabei verloren. Aber sie hat gelernt: Feminismus bedeutet vor allem Solidarität. Yes! Keine toxische Weiblichkeit, kein Zickenterror, keine Männerfeindlichkeit. Ein interessanter Twist des Films ist, von wem sie dies gelernt hat, nämlich aus ganz unerwarteter Ecke. Und über die Schlussszene muss ich immer noch schmunzeln. Da setzt Donna ganz klar ihre Prioritäten.

Was bleibt am Ende? Ich weiß es nicht. Mir ging es ja wie Donna. Ich war wütend und habe gekämpft, möglichst ohne zu übertreiben. Das hat mehr geschadet als genutzt. Aber: Hätte ich es bleiben lassen können und immer alles tun, was man von mir erwartet? Das wäre ja noch schlimmer! Leider ist nämlich Donnas schreiender, manchmal vulgärer Rachefeldzug die einzige Übertreibung in diesem Film. Das Verhalten der Machos ist absolut authentisch. Davon ist nichts übertrieben. 

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Was haben Sie in dieser Vorlesung gelernt?

Gestern stellte ich nach einem Kapitel meiner Vorlesung die Frage "Was haben Sie in diesem Kapitel gelernt?" Seufz! Früher konnte jede/r Studierende sofort eines der Themen der Vorlesung nennen. Ich nutzte dies als hilfreiches Feedback: Welcher Inhalt hatte meine Zuhörer/innen am meisten interessiert oder beeindruckt? Meistens waren es überraschende Tatsachen oder eine meiner Anekdoten. 

Nun lässt die Beteiligung an dieser Frage leider immer mehr nach. Dieses Mal bekam ich nur eine einzige Antwort, nämlich von dem Studenten, der offensichtlich mitgeschrieben hatte. Da wir immer zwei Kapitel im Block durchnehmen, passte ich beim nächsten Kapitel auf, was die Studierenden so machen, während ich vortrage. Bei den Übungen und Diskussionen beteiligen sie sich sehr lobenswert. Einige der Diskussionen sind Brainstormings, bei denen wir z. B. erstmal sammeln, welche Arten von Wissen in Unternehmen vorhanden sind, bevor ich die "Musterlösung" vorstelle. Die Beteiligung ist also auch möglich, ohne sich an den Inhalt vorheriger Folien zu erinnern. Bei Übungen, wo zuvor vorgestellte Methoden angewendet werden sollen, bin ich es gewohnt, die Methode vorher nochmal kurz zu wiederholen, weil ich schon oft von Studierenden hörte: "Wenn ich gewusst hätte, dass ich die Methode gleich anwenden soll, hätte ich besser zugehört." Man kann leider mit offenen Augen nach vorne sehen, ohne mit den Gedanken voll dabei zu sein. Gestern fand ich auffällig, dass selbst aufmerksame Studierende zwischendurch immer wieder aufs Smartphone sehen und auch kurze Nachrichten schreiben. Ja, ich habe schon mitbekommen, dass der soziale Druck enorm hoch ist, Kurznachrichten schnell zu beantworten, weil sonst gleich die Freundschaft oder Beziehung in Frage gestellt wird. "War in der Vorlesung und konnte nicht antworten" wird von Freunden nicht akzeptiert. Bei Studierenden, die die ganze Zeit, während ich rede, an ihrem Laptop arbeiten, bin ich nicht sicher, ob sie wirklich die Vorlesungsfolien mitlesen oder an etwas anderem arbeiten. Gerade Studierende mit Zeitdruck (z. B. weil sie berufstätig sind), gehen in die Vorlesung nur, um zu sehen, ob etwas Besonderes passiert oder gesagt wird. So wie man im Wohnzimmer den Fernseher laufen lässt, um nichts Wichtiges zu verpassen, aber im Wesentlichen seinem eigenen Leben nachgeht. Ich frage mich aber auch, was sich schon unsere Lehrer damals fragten, ob der Medienkonsum nicht doch irgendwelche Veränderungen im Gehirn bewirkt, z. B. kurze Aufmerksamkeitsspanne und weniger tiefe Aufmerksamkeit, weil die Studierenden auch außerhalb der Vorlesung mit enorm viel Input bombardiert werden. Da muss das Gehirn sich ja irgendwie abschotten, weil die Tages-Aufnahmekapazität begrenzt ist. Ich erinnere mich dunkel an Studien, die zeigten: Je höher der Fernsehkonsum von Schülern, umso weniger aufnahmefähig im Unterricht. Bei mir läuft auch grundsätzlich niemals ein Fernseher oder Radio einfach nebenher, außer beim Bügeln oder anderen schlichten Tätigkeiten. Das Hintergrundgedudel überfordert das Gehirn mehr als wir glauben. Vor allem gewöhnt es sich daran, zum Selbstschutz vor zu viel Input, das Blabla auszufiltern. 

Was ganz sicher auch ein wichtiger Faktor ist: Früher war es für mich als Studentin etwas Besonderes, in der Vorlesung einen international bekannten Experten zu sehen und zu hören. Zwischen den Vorlesungen forschte er, hielt Vorträge auf wissenschaftlichen Konferenzen und machte andere wichtige Dinge. Und gelegentlich traf man ihn im Hörsaal, wo er uns die Grundlagen seines Wissens beibrachte. Damit wir in seine Fußstapfen treten können. Superaufregend! Besser als Fernsehen! Heutzutage ist es für die Studierenden natürlich nichts Besonderes mehr. Im Gegenteil. Im Internet können sie sich jederzeit Vorträge anhören von Leuten, die berühmter oder unterhaltsamer sind als ich. Sie vergleichen mich nicht mit ihrer Mathelehrerin in der Schule, sondern mit Harald Lesch und Mai Thi Nguyen-Kim. Das ist hart. Zumal ich ja, um davon leben zu können, sehr viele Kurse halte. Ich habe ausgerechnet, dass ich genauso viele Kurstage habe wie ein Vollzeitprofessor, nur eben gleichmäßig übers Jahr verteilt (nur drei kursfreie Wochen pro Jahr) und inklusive Samstage. In Vorlesungen und Seminare investiere ich die Hälfte meiner Arbeitszeit, also 40 von 80 Stunden pro Woche. Zusätzlich muss ich mich fortbilden, verkaufen, forschen und Erfahrungen sammeln, über die ich in den Kursen berichten kann. Darum habe ich eventuell auch nicht mehr so viel Schwung und kreative Ideen wie damals als Habilitantin, als ich mich auf eine einzige Vorlesung konzentrieren und dort all mein Herzblut reinfließen lassen konnte. Trotz Zeitdruck gebe ich mein Bestes. Bin nur manchmal etwas ratlos, wie ich den Studierenden die hohe Bedeutung des gelehrten Wissens vermitteln kann. Immerhin habe ich dieses Semester einen Hörsaal mit besserer Akustik. Es ist wirklich schwer, die Zuhörer/innen zu erreichen, wenn die Stimme vom Raum einfach verschluckt wird. Da wirkt man automatisch wie eine blasse Figur, die wenig Wichtiges zu sagen hat.

Mir fiel aber noch eine Maßnahme ein: Ich sollte aufhören, mir den Kopf zu zerbrechen, wie ich meine Vorlesung zu einer aufmerksamkeitsfesselnden Varieté-Show mit Tanzeinlagen ausbaue, vielbeschäftigte berufstätige Studierende in die Vorlesung locke oder zwinge, wie ich entdecke, dass Hausaufgaben durch chatGPT gelöst wurden usw., also versuche, meine Studierenden auszutricksen. Schließlich sind sie erwachsen und für ihren Lernerfolg selbst verantwortlich. Darum sollte ich ihnen kurz und klar das Lehrkonzept der Vorlesung zusammenschreiben, um die Rolle von Vorlesung und Hausaufgaben klar zu machen. Grundsätzlich sollten sie das schon wissen, denn es gilt dasselbe für alle Vorlesungen und sogar auch für die Hausaufgaben in der Schule. Aber als Dozentin weiß ich, dass gerade das Selbstverständliche nicht oft genug gesagt werden kann. Selbst Wiederholungen sind nützlich. Wobei ich nicht sicher bin, ob es überhaupt eine Wiederholung gewesen sein wird!

Was ich gar nicht mag sind die Tricks von Kollegen. Beispielsweise kann man Studierende sehr wohl in die freiwillige Vorlesung zwingen, indem man ihnen die Folien nicht ins Moodle hochlädt. Dann müssen sie entweder kommen und mitschreiben, oder sich einen mehr oder weniger vollständigen Mitschrieb besorgen. Oder man gibt mündliche Hinweise zur Prüfung, die nirgends dokumentiert sind. Auch die Musterlösungen der durchgeführten Übungen muss man nicht unbedingt elektronisch bereitstellen. Das mache ich aber nicht so. Die Studierenden bekommen auch bei einer Präsenzveranstaltung alles, was sie für die Vorbereitung der Prüfung benötigen. Weiß ich ja, dass viele nicht freiwillig schwänzen, sondern weil sich Vorlesungszeiten überschneiden, sie arbeiten müssen, krank waren oder sie alleinerziehende Mütter / Väter sind.  Oder sogar mehreres gleichzeitig.

So, und nach der Vorlesung ist vor der Vorlesung. Ich mache mich dann mal an die Vorbereitung der nächsten Lehrveranstaltungen. Leider ist es ja so wie beim Kochen: In die Vorbereitung investiert man viele Gedanken und Zeit, aber aufgegessen ist es dann immer ganz schnell! Als erstes schreibe ich aber mein Lehrkonzept zusammen und teile es mit den Studis.

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Themennachmittag "Umstellungen auf Open Source Produkte: Erfahrungen, Chancen und Herausforderungen" am 25.11.2024

Angesichts der beängstigenden digitalen Abhängigkeit und der jüngsten politischen Entwicklungen werden „Digitale Souveränität“ und „Open Source Software“ immer wichtiger.

Im Mittelpunkt des Themennachmittags stehen unter anderem folgende Fragen:

- Wie kann die Umstellung von Monopol-Produkten auf Open Source Alternativen gelingen?
- Welche Herausforderungen sind zu meistern?
- Welche Schritte sind erforderlich für eine erfolgreiche Umstellung?  
- Welche spezifischen Maßnahmen gibt es, um die Mitarbeiter mitzunehmen?

Der Themennachmittag findet am 25.11.24 von 16:00 Uhr bis ca. 18:00 Uhr statt.

Die Anmeldefrist für die Veranstaltung endet am 24.11.24 um 21.00 Uhr.

Anschließend wird an alle Teilnehmer per E-Mail der Link auf den BBB-Raum versendet.

Alle weiteren Details zum Themenabend inklusive der kostenlosen Online-Anmeldung finden Sie unter:

https://ak-oss.gi.de/veranstaltung/information/umstellung-von-fachverfahren-von-ms-office-auf-libre-office

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Verständnis der Studierenden in Hausaufgaben abprüfen

Noch immer zerbreche ich mir den Kopf, wie ich eine Hausaufgabe stellen muss, damit ich wirklich abprüfen kann, ob die Studierenden ein Konzept oder Prinzip verstanden haben und nicht einfach mit Hilfe von chatGPT einen Text erzeugt haben, der so klingt als hätten sie sich mit dem Thema beschäftigt. Ich habe darum chatGPT um Rat gefragt. In der ersten Runde gingen seine Vorschläge in Richtung Diskussion von Vor- und Nachteilen, Diskutieren von Warum und Wie, Anwendungsaufgaben in einem neuen Kontext, Reflektion und Abgrenzung der eigenen Lösung, Verteidigung der Ergebnisse in einer mündlichen Prüfung. Ja, diese Ideen hatte ich vor zwei Jahren, als ich noch nicht wusste, wie gut chatGPT auch diese Aufgaben löst, abgesehen von der mündlichen Prüfung. Mündliche Prüfung kommt aber nicht in Frage. Früher habe ich in manchen Vorlesungen von jedem Studenty erwartet, dass es ein Mal einen Zwei-Minuten-Vortrag hält. Da gab es am Vorlesungsanfang jede Woche vier kurze Impulsvorträge und am Semesterende war jede/r mal dran. Das ging noch mit 50 Studierenden, nur habe ich jetzt deutlich mehr. Der organisatorische Aufwand ist auch enorm. Schließlich sind die Studierenden oft verhindert oder werden zufällig krank, sobald sie vortragen sollen.

Ich erinnerte chatGPT also daran: "Ja, das ist nicht ganz falsch. Aber leider ist KI heutzutage so gut, dass sie auch Methoden auf Beispiele anwenden und sehr sinnvoll diskutieren kann, so wie Du."

chatGPT: "Das stimmt, moderne KI ist bereits sehr gut darin, Konzepte anzuwenden, plausible Antworten zu formulieren und in verständliche Worte zu fassen. Um herauszufinden, ob Studierende das Konzept wirklich verstanden haben, können wir die Aufgabe so gestalten, dass sie auf einer individuellen Analyse und kreativen Problemlösung basiert, die über Standard-Antworten hinausgeht. Hier sind ein paar Ansätze, die die Eigenleistung der Studierenden stärker in den Fokus rücken könnten:

1. Datengetriebene Aufgabenstellung mit individuellen Variablen

Statt eines allgemeinen Szenarios könnten die Studierenden spezifische Daten erhalten, die je nach Person variieren – zum Beispiel kleine Datensätze oder Projektinformationen, die leicht abgeändert sind.

  • Beispiel: Jeder Studierende bekommt eine leicht abgewandelte Version eines Projekts oder eine Problemstellung mit zufälligen Parametern (wie Projektgröße, Ressourcenzugang, Anforderungen).
  • Ziel: Dies erschwert eine 1:1-Anwendung von allgemeinen Antworten und erfordert eine individuelle Lösung, da die Ausgangssituation für jeden leicht anders ist.
2. Reflexionsfragen zur persönlichen Anwendungserfahrung

Fragen, die Studierende auffordern, eine Erfahrung oder ein Projekt aus ihrer eigenen Perspektive zu beschreiben, können nützlich sein.

  • Beispiel: "Beschreiben Sie, wie Sie das Konzept in einem persönlichen Projekt anwenden würden. Welche Herausforderungen haben Sie dabei erwartet oder schon erlebt, und wie sind Sie damit umgegangen?"
  • Ziel: Die KI mag gute allgemeine Ratschläge liefern, aber die Studierenden müssen hier eine eigene, konkrete Anwendung beschreiben – und ein echtes, selbst durchdachtes Beispiel wird oft sehr individuell klingen.
3. Kollaborative Komponente mit individueller Analyse

Setze eine kollaborative Aufgabe an, bei der Studierende im Team eine Lösung erarbeiten müssen, anschließend aber eine individuelle Analyse einreichen.

  • Beispiel: Die Studierenden arbeiten in kleinen Gruppen an einem Projektentwurf. Am Ende sollen sie eine individuelle Reflexion darüber schreiben, wie sie zur Gruppenarbeit beigetragen haben, was sie persönlich gelernt haben und welche spezifischen Entscheidungen auf ihre Ideen zurückgehen.
  • Ziel: Die kollaborative Komponente erschwert die Arbeit mit rein KI-basierten Antworten, da jede/r Studierende die eigenen Ideen und Erfahrungen reflektieren muss.
4. Komplexe Szenarien mit widersprüchlichen Anforderungen

Eine Aufgabe, die mit Konflikten oder widersprüchlichen Anforderungen arbeitet, könnte den Studierenden echte Herausforderungen bieten.

  • Beispiel: Entwickeln Sie eine Strategie, um ein Konzept auf ein System anzuwenden, bei dem die Anforderungen des Stakeholders X den Anforderungen von Stakeholder Y widersprechen. Erklären Sie, wie Sie einen Kompromiss finden und die Prioritäten setzen.
  • Ziel: Diese Aufgabenart fordert kritische Entscheidungen und individuelles Abwägen, was durch KI zwar unterstützt, aber nur schwer vollständig übernommen werden kann.
5. Persönliche Weiterentwicklung oder Lernprozess dokumentieren

Eine Aufgabe, die eine Dokumentation des eigenen Lernprozesses und der Erkenntnisse erfordert, kann sehr aufschlussreich sein.

  • Beispiel: "Halten Sie während der Bearbeitung der Aufgabe ein kleines Logbuch zu Ihrem Verständnisfortschritt und den Schwierigkeiten, die Sie bewältigen mussten. Welche Aspekte des Konzepts haben Ihnen das meiste Kopfzerbrechen bereitet und wie haben Sie diese gelöst?"
  • Ziel: Der Fokus liegt hier auf dem Lernprozess und den Hürden, die reflektiert und dokumentiert werden müssen. Auch bei Nutzung von KI ist der Prozess oft schwer zu fälschen, da er eine persönliche Auseinandersetzung erfordert.
Fazit

Mit solchen Aufgaben kann die KI zwar eine Hilfe sein, aber sie kann das individuelle, kritische Denken und die kreative Problemlösung, die in diesen Aufgaben gefordert wird, nur bis zu einem gewissen Grad übernehmen. Diese Art von Strukturierung kann dazu beitragen, dass die Studierenden das Konzept wirklich verinnerlichen und sich nicht nur auf KI-Generierung verlassen."

 

Seufz. Die Gruppenarbeit ist eine gute Idee. Aber: Vieles, was als Gruppenarbeit eingereicht wird, wurde in Wirklichkeit nur von einer einzigen Person erstellt, die anderen lesen es nicht mal durch, bevor sie es hochladen. In meiner aktuellen Vorlesung gab es früher eine Preis-Verhandlung als Zweier-Hausaufgabe durchzuführen und zu dokumentieren. Das war recht unterhaltsam, aber manche Studierenden hatten wegen Job oder Familienpflichten Schwierigkeiten, einen Partner für diese Hausaufgabe und einen Termin zu finden. Darum hatte ich diese Hausaufgabe als Übung in den Präsenzunterricht verlegt. Alles andere, einschließlich Lerntagebuch und Lessons Learned Reflektionen kann chatGPT auch faken. Ich sollte ihm bei Gelegenheit mal meine Hausaufgaben reinfüttern und sehen, welche Punktzahl er erhalten würde. 

Grundsätzlich bleibe ich jetzt recht hoffnungslos. Vielleicht ist die Einreichung handgeschriebener Hausaufgaben immer noch die beste Idee?

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Fachgruppentreffen Requirements Engineering am 28.+29.11.2024: Programm jetzt online

Das Programm für unser GI-Fachgruppentreffen Requirements Engineering am 28.+29.11.2024 ist jetzt online

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Das Parlament - Staffel 3 und 4

Erfreut stellte ich neulich fest, dass in der ARD-Mediathek Staffel 3 und 4 von "Das Parlament" verfügbar sind. Vor einem Jahr amüsierte ich mich schon prima über Staffel 1 und 2. 

Nun lernen wir mehr über die Zusammenarbeit zwischen EU-Parlament und EU-Kommission. Politik versus Diplomatie. Wer f...fordert wen?? Wer souffliert wem? Unter anderem wird der in den vorigen Staffeln so mühsam entwickelte Blue Deal wieder in Frage gestellt bzw. der Karriere oder den persönlichen Feindschaften geopfert. Samys frühere Chefin wechselt in die Kommission und plant, sich dort von unten nach oben hochzuarbeiten. Demokratie und Theater (Tragödie und Komödie) haben denselben Ursprung. Darum ist es kein Wunder, wenn Thorsten die EU als Musical vertont.
Der neue (deutsche) Parlaments-Präsident: "Ich mag Humor. Kannte ich gar nicht, bevor ich nach Brüssel gekommen bin."  Schlafen mit offenen Augen gehört zu den Kompetenzen bei der EU. Auch andere unerhörte Dinge passieren: Eine Französin entschuldigt sich und bittet um Vergebung, muss das aber vorher proben. Michael, der bisherige französische EU-Präsident, geht bei der karibischen Küche aufs Äußerste. Rose arbeitet jetzt als Journalistin. Samy arbeitet doch nicht für die EU-Kommission, sondern doch wieder fürs Parlament. Oder doch? Thorsten ist zurück als Abgeordneter und führt die internetbasierte Basisdemokratie ein - im leuchtendblauen Heldenkostüm. Wie schon bei den vorherigen Staffeln schwanke ich bei Thorsten immer zwischen "Er ist total verrückt" und "Thorsten ist ein Genie". Für die fiesen Intrigen ist jetzt eine neue deutsche Kollegin zuständig. Gesine die deutsche Abgeordnete mit Ähnlichkeit zu Angela Merkel, fühlt gegenüber KMU und hart arbeitenden Fischern Beschützerinstinkte und kann großzügig einer Gegnerin Respekt zollen, die sie über den Tisch bzw. die Datumslinie gezogen hat.
Samy tut sein Bestes, um Karriere zu machen. Vom Parlament zur Kommission bedeutet für ihn einen Aufstieg. Allerdings löst er einen Fish-and-Chips-Krieg mit Großbritannien aus, versagt bei der Gründung einer neuen Behörde mit Arbeitstitel Umwelt-FBI unter Vorsitz seiner Chefin an einem sonnigen Küstenort und wird darum in die Sündenbockabteilung versetzt. Er muss schlechte Nachrichten überbringen. Dabei wird er angebrüllt und mit Glyphosat vergiftet. Während er nach etwas Neuem sucht, verbreitet seine Chefin das Gerücht, er würde im Büro kleine Tiere quälen. Nur aus Verzweiflung und weil der italienische Kaffee so gut ist und das Büro so groß... nimmt er beinahe einen Posten bei einer rechtsextremen italienischen Abgeordneten an.
Bei diesem Film trägt jedes Detail eine Bedeutung. Man beachte nur die vielsagenden Plakate an den Wänden. Auch die Herr-der-Ringe-Analogie hat mir gut gefallen. 
Am Ende geht es darum, Europa zu retten. Die Kommission hat sich total verfranst über die Ausbalancierung aller Interessen bezüglich Nutriscore von Olivenöl, Markenschutz für Halumi-Käse, Mehrwertsteuersenkung für schwedische Selbstbaumöbel, herkunftsgeschützte Karottenmarmelade und provokante Forderungen wie die Rückgabe der Mona Lisa an Italien. Samy kann hier nicht nur lernen, wie man zu einem Konsens kommt, sondern auch, wie die Profis mit Niederlagen umgehen: dem Sieger Respekt zollen, seine Tricks analysieren und beim nächsten Kampf selbst einsetzen.
Sehr schön auch die letzte Folge. Der Oberblicker Emon hat sich monatelang in ein italienisches Kloster zurückgezogen, um ein Buch darüber zu schreiben, wieso die EU trotz der vielen Krisen funktioniert. Er schreibt gerade seinen Schlusssatz darüber, dass er gescheitert sei. Da platzt Samy mit seinem Witz über den Tausendfüßler herein: Sagt die Ameise zum Tausendfüßler: "Hey, wie kannst Du mit so vielen Füßen überhaupt laufen?" Und danach konnte der Tausendfüßler es nicht mehr. Genauso sollte man vermutlich auch die EU nicht zu sehr sezieren. Praxis ist, wenn es funktioniert, aber keiner weiß wieso. 
Ich liebe diesen gutmütigen Spott auf unsere europäische Demokratie. Man wundert sich zwar, dass in Brüssel überhaupt irgendetwas funktioniert, aber es wird auch klar, dass einige wenige kompetente Personen genügen, um die EU konstruktiv voran zu bringen. Die Entscheidungen entstehen in einem nicht so ganz objektiven Prozess und erscheinen dadurch irgendwie willkürlich, aber auch vorläufig. Die Abgeordneten wechseln, aber die Weisheit steckt im System. "Fehlertolerante Prozesse" und "Kontinuität durch hochmotivierte Wissensträger" lautet wohl das Rezept.

Was hat das jetzt mit Software Engineering zu tun? Zunächst mal ist es immer schön, jemanden zu kennen, dem es schlechter geht als einem selbst. Ein Softwareprojekt ist weniger komplex als ein EU-Gipfel, allein schon wegen der geringeren Anzahl an Stakeholdern, Gremien und Hierarchieebenen. Jedenfalls sollte das so sein. Gemeinsam ist EU und Software-Projekt: Im Prinzip wollen alle Stakeholder ja, dass das Projekt gut verläuft und der Gipfel erfolgreich endet, nur dass sie eben für ihre eigenen Ziele immer noch etwas abzweigen wollen, was nicht unbedingt zum Gemeinwohl beiträgt. Im Film wie in der Realität nehmen wir die Konflikte und Unterschiede immer stärker wahr als die Punkte, bei denen sich alle einig sind. Davon gibt es auch viele, aber darüber muss man nicht reden, die werden schriftlich festgelegt und dann durchgewunken. Das Software Engineering definiert klare Rollen, Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse, und das tut die EU auch. Die Analogie passt darum sehr gut. Genauso wie die Bedeutung des "kleinen Dienstwegs", inoffizieller Informationen und Kontakte, mit denen man die offiziellen Hürden umgeht, falls sie die Problemlösung ausbremsen. Obwohl ich als Forscherin mich natürlich gerne mit Detailfragen zum erfolgreichen Software Engineering beschäftige, denke ich auch, dass im Prinzip schon seit Jahrzehnten verstanden ist, wie man erfolgreich Software-Projekte durchführt. Wenn man es das nicht tut, dann aus taktischen oder anderen menschlichen Gründen. Darum wird das Problem nicht durch noch raffinierte Vorgehensmodelle und Modellierungsmethoden gelöst, sondern dadurch, dass man einfach handelt und Ergebnisse produziert. Sich durch die ganzen Konflikte, Risiken und Überraschungen erfolgreich hindurch laviert und dabei nie das Projektziel aus dem Blick verliert.

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