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Das musste ja so kommen: Staubsauger gehackt

Im Smart Home ist jedes Gerät online. Natürlich ist das praktisch: Wenn mein Staubsauger online ist, kann ich ihn von unterwegs überwachen und steuern. Über die Kamera könnte ich sogar nachsehen, ob alles sicher ist oder fremde Leute durch mein Wohnzimmer gehen. Der Hersteller kann Software-Updates hochladen. Bei Küchengeräten gibt es noch Zusatzdienstleistungen wie beispielsweise das Herunterladen von Kochrezepten. Aber ich denke, diese Nützlichkeit wiegt die Sicherheitsgefahren nicht auf. Hacker können dann genauso nachsehen, ob ich in meinem Wohnzimmer bin, schädliche "Updates" hochladen oder meinen Staubsauger über das Internet steuern. Von überall auf der Welt aus. 

Bei Überwachungskameras ist es ja schon mehrmals passiert. Nun werden Fälle berichtet, wo Staubsauger gehackt wurden. Die Staubsauger pöbelten ihre Besitzer auch an, was zeigt, dass es sich dabei eher um einen Streich oder eine "Machbarkeitsanalyse" handelte als eine kriminelle Aktion. Es war nur eine Frage der Zeit, bis das passiert. Die Hersteller sollten sich nochmal überlegen, ob der Internetzugang wirklich nötig ist. Oder Updates. Es müsste doch möglich sein, ein schlichtes Gerät so zu entwickeln, dass man es fertig ausliefert. Eventuell sind (Sicherheits-)Updates überhaupt nur nötig, weil das Gerät Internetzugang hat?

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The Big Brother Awards 2024 go to...

Die Big Brother Awards 2024 wurden vergeben an:

* Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach für das Gesundheitsdatennutzungsgesetz
* Die sächsische Polizei und der sächsische Innenminister für das „videogestützte Personen-Identifikations-System“
* Die Handelsplattformen Temu und Shein für deren Datenschutzregeln und AGBs
* Die Deutsche Bahn, weil sie mit ihrem zunehmenden Digitalzwang nicht nur Menschen ausschließt, sondern auch anonymes Reisen zunehmend unmöglich macht.
* Der Trend Technikpaternalismus: Immer mehr Technik nervt uns mit Besserwisserei, gängelt und bevormundet uns – so werden unsere Geräte nach und nach vom Butler zum Chef.

 

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Gehirn auslesen verboten!!

Zuerst hielt ich die Nachricht für einen April-Scherz, dass man in Kalifornien ein Gesetz zum Schutz der Gehirndaten erlassen hat. Aber das ist wohl tatsächlich ernst gemeint. Nur in Deutschland scheinen die Headsets, die Gedanken auslesen, noch nicht auf dem Markt zu sein - oder ich habe einen Trend verschlafen. Früher musste man ja, um Gedankenströme zu messen, Löcher in den Schäden bohren, um die Sensoren ins Gehirn zu treiben. Später ging es dann mit Elektroden, die mit diesem klebrigen Kontaktgel auf der Kopfhaut befestigt werden (EEG). Schmerzlos, aber man musste hinterher die Haare waschen, falls sie nicht abrasiert wurden. Aber jetzt kann man anscheinend mal kurz zwischendurch ein Headset aufsetzen, das mitliest, was in den grauen Zellen passiert. Das wirft natürlich neue Datenschutzfragen auf. Die beim Arzt gemessenen Gehirnströme werden zusammen mit Blutwerten, EKG-Daten usw. in der Patientenakte vertraulich verwahrt. So vertraulich, dass der Patient selbst oft nicht weiß, was da über ihn geschrieben steht.

Mir als datenschutzsensibler Person kommt die Vorstellung bizarr vor, dass ich meine Gehirnströme messen würde, die dann auf einer amerikanischen Cloud gespeichert und von einer amerikanischen Firma "zur Verbesserung ihres Service" ausgewertet werden oder für "wissenschaftliche Forschung" weitergegeben. Aber sehr viele Menschen haben ja auch schon aus Neugier und Sorglosigkeit ihre Gendaten amerikanischen Firmen anvertraut (siehe hier und hier). Als nächstes folgen also die Gehirnströme. 

Ich witzle ja schon immer, dass die Leute sich ihr Smartphone ins Gehirn implantieren lassen würden, wenn es technisch machbar wäre. Ich glaube, bald geht das. Und dann kann bald auch das Gehirn gehackt werden! Eines weiß ich sicher: Mein Gehirn bleibt offline. Ich finde es schon unangenehm genug, dass der Computer inzwischen ständig online ist, so dass Hinz und Kunz dort Programme installieren kann oder meinen Bildschirmhintergrund verändern. Aber man kann ja heutzutage kaum noch offline arbeiten, weil Daten in der Cloud liegen, Prüfungen in einem Prüfungsportal online geschrieben und online korrigiert werden, Kommunikation über E-Mail und Videocall stattfindet und ich meine Recherchen natürlich auch im Internet durchführe. Selbst wenn ich in der Unibücherei nach einem gedruckten Buch suche und es vorbestelle, um es demnächst physisch abzuholen. Ich schätze, dass mein Computer maximal eine Stunde pro Tag offline sein könnte. Früher war er maximal eine Stunde online wegen der hohen Internetgebühren. 

Ich fühle mich wie in einem Science Fiction Roman. Zum Beispiel in Eschbachs Black Out-Trilogie.

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Gesundes Fast Food

Kleiner Hinweis: Ich habe früher mal ein Blog befüllt mit Rezepten für Gesundes Fast Food. Nein, Informatiker ernähren sich nicht zwangsläufig nur von Kaffee und Fertigpizza! Aber schnell muss es gehen!

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Rezension: Scheitern als Businessbeschleuniger (Alice Moustier und Christian Dräger)

Bei diesem Buch mit dem provokanten Titel "Scheitern als Businessbeschleuniger" lesen wir umfangreiche Interviews, die die Autorin Alice Moustier mit Christian Dräger geführt hat. Die Firma Dräger entwickelt Medizintechnik, Sicherheitstechnik und Feuerwehrbedarf, also lebensrettende, technische Produkte, und das schon seit Generationen. Alice Moustier, die ebenfalls aus einer Unternehmerfamilie stammt, entwickelt gerade ihr eigenes Coaching-Business. Die beiden Erzähler des Buchs trennt eine Generation und auch der Unterschied zwischen Produktion und Dienstleistungsbranche. 

 

Im Gespräch entwickeln die beiden sympathischen Menschen ganz natürlich die Firmengeschichte von Dräger in Lübeck und die Geschichte des Moustier-Startups und verbinden sie miteinander. Außerdem entrollen sie mehrere Biographien aus der Dräger-Familie und aus der Moustier-Familie. Jedes Kapitel behandelt ganz offen und ehrlich ein bestimmtes Thema wie z. B. das Scheitern, die Unternehmerpersönlichkeit oder den Umgang mit Mitarbeitern. Die Zusammenfassungen der wichtigsten Tipps an jedem Kapitelende machen das Buch zusätzlich zu einem Fachbuch und Best-Practice-Nachschlagewerk. 

 

Als für mich wichtigste Botschaften habe ich mir herausgeschrieben:
* Das Unternehmer-Gen kann nicht schaden, aber man muss das Unternehmersein auch erlernen. Eine wichtige Voraussetzung ist die Selbstwirksamkeits-Erwartung.

* Das Leben ist kurz, und das macht Selbstverwirklichung so wichtig.

* Aufgeben ist keine Option!

* Man muss sein Portfolio gestalten und sich positionieren als Spezialist oder Generalist. Verschiedene Angebote müssen thematisch zusammenpassen. Marketing und Personal Branding sind wichtig.

 

Christian Dräger sagt: "Viele großartige Unternehmer sind einmal gescheitert, bevor sie erfolgreich wurden." Im Gegensatz zum Titel wird zum Glück nirgends behauptet, dass Scheitern eine tolle Voraussetzung für Erfolg ist. Das höre ich nämlich nicht so gerne. Es gehört aber nun mal dazu, gerade weil sich die Zeiten ändern und es ja auch Konkurrenz auf dem Markt gibt. 


Vielleicht kennen Sie das, dass einem ein eher exotisches Thema plötzlich innerhalb weniger Tage mehrmals über den Weg läuft? Bei mir war es vier Mal Polio (Kinderlähmung) und die eiserne Lunge:
1.) Auf dem Dachboden fand ich noch alte Kinderbücher, und in einem ging es um ein Mädchen, das sich Polio einfängt, was zu meiner Kinderzeit tatsächlich gar nicht so selten war. Der Hausarzt erkennt die Gefahr schnell genug, so dass nur ihre Beine gelähmt werden. Damit sie wieder Mut fasst, kaufen ihre Eltern ein Pferd und schon wird eine Mädchen-Pferde-Geschichte daraus.
2.) In der Charité-Serie der ARD bekommt ein kleiner Junge Kinderlähmung, muss in die eilig aus dem Keller geholte eiserne Lunge - zum Glück nur vorübergehend.
3.) Der Film "Solange ich atme" erzählt die Biographie von Robin Cavendish, dem ersten Poliogelähmten, der trotz ständiger Beatmung des Krankenhaus verlassen und mit seiner Familie leben konnte. In Deutschland muss er entsetzt feststellen, dass die Gelähmten in reinraumartigen fensterlosen Räumen übereinander gestapelt verwaltet werden von demselben Ministerium, das auch die Gefängnisse betreibt. 
4.) Die Firma Dräger entwickelt solche eisernen Lungen für Poliokranke.

 

Aber zurück zum Buch: Ich fand es sehr schön zu lesen, sympathisch, ehrlich und Mut machend.

 

Scheitern als Businessbeschleuniger - Familienunternehmer und Gründerin im Gespräch
August Dreesbach Verlag, München 2023
Autorin: Alice Moustier
ISBN 978 3 96395 041 4

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Andreas Eschbach: "Ein Programmierer ist wie ein Beichtvater."

Neulich hörte ich Andreas Eschbachs "Eine Billion Dollar". Vor allem geht es darin um Geld, die Weltherrschaft und die Zukunft der Menschheit. Aber ein netter Dreh zur Verkomplizierung der Geschichte ist, dass die Hüter eines Geheimnisses einen Programmierer anheuern, der ihnen ein eigenes Software-Programm schreibt. Doch: "Ein Programmierer ist wie ein Beichtvater." Damit die Software genau das tut, was sie soll, benötigt der Auftragnehmer natürlich sehr detaillierte Informationen. Dadurch gibt es nun einen weiteren Mitwisser. Hätten die Geheimnisträger weiterhin auf Papier gearbeitet, wäre die Geschichte geheim geblieben und eine Menge unangenehmer Komplikationen wären ausgeblieben... Sogar die Weltgeschichte wäre anders verlaufen. OK, ich geh dann mal wieder Beichtgeheimnisse vergessen. :-)

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Der Superstudent: schon eher nach meinem Geschmack

Heute eine inspirierende Geschichte: Jamie Beaton. Im Artikel wird er "Superstudent" genannt, weil er mit 29 schon neun Hochschulabschlüsse hat. Sein Tipp Nummer 1: Man solle ernst nehmen, was man in der Schule und im Studium lernt, weil es die Grundlage für den späteren Beruf ist. Give me five, Bruder! :-) 

Ich hatte mit 24 zwei Abschlüsse, das hat mir dann erstmal gereicht. Ich bin eher so die Macherin und wollte Dinge erschaffen, Neues entdecken, mich weiterentwickeln. Gelegentlich kommt mir zwar die Idee, noch Archäologie, Literatur oder Theologie zu studieren, aber dann sehe ich mir den Studienplan an und stelle fest, dass mich die Hälfte der Fächer nicht interessiert. Gerade Auswendiglernfächer sind nicht so meins. Ich stelle mir meine Fortbildungen darum nach Lust und Laune zusammen. Lebenslanges Lernen ist selbstverständlich. Wissen veraltet nicht nur, sondern letztlich kann das Studium ja nur das Grundwissen vermitteln. Danach gibt es immer noch sehr viel zu entdecken!

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Ghostwriting :-(

Gerade schmökere ich mit Grausen auf einer Webseite, die Ghostwriting für Abschlussarbeiten anbietet. Da gibt es Ghostwriter, die schreiben mal schnell in zehn Tagen eine Bachelorarbeit runter. Kostet so 30-70 Euro pro Seite, je nach Qualifikation des Autors. Sagen wir mal Bachelorarbeit von 60 Seiten mal 50 Euro = 3000 Euro. Wenn der Ghostwriter monatlich drei davon schreibt, bleibt abzüglich Vermittlungsgebühr des Portals noch ein ordentlicher Bruttogehalt übrig. Alle glücklich, hurra?

Mein erster Gedanke war "Klar, mit KI geht das heutzutage ganz schnell. Schwups, 60 Seiten voll Text und noch schnell Korrektur lesen und ausbessern." Aber angeblich arbeiten sie ohne KI. Alles handgeschrieben. Grundsätzlich machbar, sechs Seiten pro Tag, wenn man Schreibprofi ist.

Im FAQ steht zu "Ist das legal?": "Ja, es gibt keine Gesetze gegen Ghostwriting." Geschickt formuliert.

Wegen Ghostwriting wird man tatsächlich nicht bei der Polizei angezeigt. Auch urheberrechtlich ist das ganz OK, denn für die 3000 Euro gibt es die kompletten Nutzungsrechte noch dazu.

ABER es ist Betrug! In der Prüfungsordnung steht nicht zum Spaß, dass man die Arbeit selbst schreiben muss. Es handelt sich um eine Prüfungsleistung, bei der die Fähigkeit, eine wissenschaftliche Arbeit selbständig durchzuführen und zu schreiben, geprüft wird. Genauso wie man ja auch seine schriftlichen Prüfungen selbst schreiben muss, weil das eigene Wissen abgeprüft werden soll und nicht die des Zwillingsbruders oder der Inhalt des Spickzettels.

Ich muss bei sowas immer an die Leute denken, die bei der Führerscheinprüfung betrügen. Die denken echt, es sei OK, sich ohne Kenntnis der Verkehrsregeln mit einem Auto im Straßenverkehr zu bewegen. Genauso fahrlässig ist es auch, seine Prüfungsleistungen im Studium nicht selbst zu erbringen. Man hat dann z. B. eine Bachelor- oder Masterarbeit über IT-Sicherheit eingereicht und verkauft sich jetzt als Experte zu dem Thema. Kriegt einen entsprechenden Job und ist nun verantwortlich für die Sicherheit eines IT-Systems. Hat aber von Tuten und Blasen gar keine Ahnung. Bei nächstbester Gelegenheit passiert etwas Schlimmes. Uarg!!

Zu meiner Zeit, als ich studierte, gab es auch schon jede Menge Betrug. Die entsprechenden Kommilitonen waren der festen Überzeugung, dass das Wissen und die Fähigkeiten, die man im Studium lernt, vollständig sinnlos und unnötig seien und man das im Leben nie wieder brauche. Auch im Berufsleben nicht. Tja, und dann ist man im Berufsleben und stellt erstaunt fest, dass man so "theoretische Methoden" wie UML doch jetzt können sollte. Aber dann schiebt man die Schuld einfach auf die Dozenten, die schlecht erklären, oder behauptet ganz pauschal, UML noch nie gesehen zu haben.

Kurz und gut: Der Sinn und Zweck eines Studiums ist nicht die Note, sondern das Wissen und Können, das man dabei erwirbt. Die Prüfungen und Noten sind einfach dazu da um abzuchecken und zu messen, ob und wie gut man das Lernziel erreicht hat. Ich kann mein Wissen aus dem Studium immer mal brauchen, auch wenn man natürlich nie auslernt. Aber beispielsweise neuronale Netze habe ich damals schon gelernt. Dieses Wissen ist immer noch nicht veraltet!

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VG Wort verwaltet jetzt auch die Rechte zur Verarbeitung von Texten durch KI für interne Zwecke

Paragraph §1 des Wahrnehmungsvertrags der VG Wort definiert, welche Rechte sie stellvertretend für Autorys wie mich verwaltet:

"(1) Der Berechtigte überträgt der VG WORT nach Maßgabe von § 2 die folgenden Rechte und Ansprüche zur treuhänderischen Wahrnehmung: ..."

Hier wurde nun ein neuer Absatz 37 hinzugefügt:

"37. das Recht, analoge oder digitale Vervielfältigungen von Werken oder Teilen davon, die jeweils zuvor rechtmäßig erworben wurden, innerhalb eines Unternehmens, einer sonstigen gewerblichen Einrichtung oder einer Behörde (interner Gebrauch) im Rahmen von Künstlicher Intelligenz (einschließlich generativer Künstlicher Intelligenz) wie folgt zu nutzen..."

Vor allem geht es hierbei um die interne Nutzung in einem "gesicherten elektronischen Netzwerk" und durch einen "bestimmt abgegrenzten Kreis von Teilnehmern".

In ihrem Schreiben an die Autoren heißt es "eine Vergabe von Nutzungsrechten durch die VG WORT an Softwareentwickler und -unternehmen, die KI-basierte Dienstleitungen für externe Dritte, Unternehmen und Verbraucher erbringen, ist ausgeschlossen; die etwaige Lizenzierung solcher Anbieter bleibt vielmehr weiterhin den Urhebern und Verlagen selbst vorbehalten".

Das wirkt auf mich sehr vernünftig, kann ich durchwinken.

Diese Änderung betrifft mich ja nun sowohl als Autorin (Urheberin) als auch als Nutzerin, die z. B. Fachbücher aus der digitalen Unibücherei für die Lehre verwendet.

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Toxic Jobs: Etwas Besseres als den Tod findest du überall

Gerade lese ich ein Interview mit Rolf Schmiel über sein Buch "Toxic Jobs". Ich schreibe es mir mal auf meine Liste der noch zu lesenden Bücher. Das Problem des toxischen Jobs ist gut beschrieben, aber die Lösungen klingen naiv. Alles was er in dem Interview empfiehlt, habe ich vergeblich versucht:

- Ich habe die Ursache des Stresses beispielsweise in einer zu kleinteiligen Aufteilung der Arbeit auf einzelne Rollen und Personen identifiziert. Meine Analyse und konkreten Verbesserungsvorschläge wurden aber komplett ignoriert und genau das Gegenteil getan: Ständig neue Rollen eingeführt, die Arbeit noch weiter aufgeteilt. Um die Verwirrung komplett zu machen, wechselten Leute regelmäßig die Rolle, so dass man oft nicht mehr wusste, wer für was zuständig ist, oder dem neuen Ansprechpartner erstmal die Historie des Projektes erklären musste. Man hat auch neue Hierarchieebenen eingezogen, während gleichzeitig auf der Ebene der produktiven Arbeit Stellen gestrichen wurden. Gerne mit der Behauptung, dass wir sowieso faule Säcke seien, oder dass wir durch die neue Arbeitsorganisation entlastet würden. Dabei wurde aus meiner Zeitmanagement-Sicht produktive Arbeitszeit durch noch mehr Kommunikation ersetzt. (Disclaimer: Ich übertreibe natürlich.)

- Solidarisierung mit den Kollegen und dem Betriebsrat klappt doch in einem wirklich toxischen Umfeld auch nicht mehr. Da kämpft doch schon jeder gegen jeden, bzw. gerade die Arbeitsbedingungen der Professoren waren so gestrickt, dass der Betriebsrat auch bei gutem Willen nicht helfen konnte, weil die Überlast in Deputatspunkten zwar messbar war, die Zahlen aber selbst vor den Professoren geheim gehalten wurden. An einer normalen Hochschule zählt man einfach die SWS durch, aber an einer Fernhochschule ist das System deutlich komplizierter.

- Die Behauptung, dass man auch mit über 50 noch gute Chancen habe, einen neuen Job zu finden, kann ich auch so nicht teilen. Ich kenne einige Ex-Professoren, die den Job hingeschmissen haben. Anschließend wurden sie selbständig, so wie ich. Es ist zwar wahr, dass es für Informatik-Experten jederzeit genug Arbeit zu tun gibt, aber wer will denn einen Professor einstellen? Ich wurde mal von einer Firma nach einer Vertretungsprofessur versehentlich eingestellt, weil sie meinen Lebenslauf nicht gelesen hatten. Da haben sie mich aber ganz schnell wieder rausgemobbt, weil kein jugendlicher Manager mit einer Mitarbeiterin arbeiten will, die höher qualifiziert ist als er selbst. Älter ist OK, weil ich als Frau automatisch einen niedrigeren sozialen Status habe selbst als jüngere Männer. Aber Doktortitel, Habilitation und Professur, das war einfach zu viel, das ging gar nicht. Vielleicht lässt sich noch eine Hochschule dazu herab, mich 13 Jahre vor der Rente als Professorin anzustellen. Ich bezweifle es aber. Bei einer meiner letzten Bewerbungen verlangten sie von mir, alle meine 63 Vorlesungen nachzuweisen, die ich in 20 Jahren gehalten habe. Das klang wohl nach zu viel, ist aber gar nicht viel. Drei Stück pro Jahr? Zusätzlich natürlich zu den vielen Firmenschulungen, einstündigen oder vierstündigen Repetitorien, Praktika, Seminaren. Vielleicht bin ich jetzt auch zu hoch qualifiziert für eine schlichte W2-Professur?

Egal, ich mache jetzt als nächstes meine Umsatzsteuer-Voranmeldung fürs dritte Quartal und kümmere mich anschließend um meinen Kurs "Software Engineering für Künstliche Intelligenz". Über Mangel an Arbeit muss ich mich wirklich nicht beklagen. Es gibt sooo viel zu tun!

 

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