Gerade schmökere ich mit Grausen auf einer Webseite, die Ghostwriting für Abschlussarbeiten anbietet. Da gibt es Ghostwriter, die schreiben mal schnell in zehn Tagen eine Bachelorarbeit runter. Kostet so 30-70 Euro pro Seite, je nach Qualifikation des Autors. Sagen wir mal Bachelorarbeit von 60 Seiten mal 50 Euro = 3000 Euro. Wenn der Ghostwriter monatlich drei davon schreibt, bleibt abzüglich Vermittlungsgebühr des Portals noch ein ordentlicher Bruttogehalt übrig. Alle glücklich, hurra?
Mein erster Gedanke war "Klar, mit KI geht das heutzutage ganz schnell. Schwups, 60 Seiten voll Text und noch schnell Korrektur lesen und ausbessern." Aber angeblich arbeiten sie ohne KI. Alles handgeschrieben. Grundsätzlich machbar, sechs Seiten pro Tag, wenn man Schreibprofi ist.
Im FAQ steht zu "Ist das legal?": "Ja, es gibt keine Gesetze gegen Ghostwriting." Geschickt formuliert.
Wegen Ghostwriting wird man tatsächlich nicht bei der Polizei angezeigt. Auch urheberrechtlich ist das ganz OK, denn für die 3000 Euro gibt es die kompletten Nutzungsrechte noch dazu.
ABER es ist Betrug! In der Prüfungsordnung steht nicht zum Spaß, dass man die Arbeit selbst schreiben muss. Es handelt sich um eine Prüfungsleistung, bei der die Fähigkeit, eine wissenschaftliche Arbeit selbständig durchzuführen und zu schreiben, geprüft wird. Genauso wie man ja auch seine schriftlichen Prüfungen selbst schreiben muss, weil das eigene Wissen abgeprüft werden soll und nicht die des Zwillingsbruders oder der Inhalt des Spickzettels.
Ich muss bei sowas immer an die Leute denken, die bei der Führerscheinprüfung betrügen. Die denken echt, es sei OK, sich ohne Kenntnis der Verkehrsregeln mit einem Auto im Straßenverkehr zu bewegen. Genauso fahrlässig ist es auch, seine Prüfungsleistungen im Studium nicht selbst zu erbringen. Man hat dann z. B. eine Bachelor- oder Masterarbeit über IT-Sicherheit eingereicht und verkauft sich jetzt als Experte zu dem Thema. Kriegt einen entsprechenden Job und ist nun verantwortlich für die Sicherheit eines IT-Systems. Hat aber von Tuten und Blasen gar keine Ahnung. Bei nächstbester Gelegenheit passiert etwas Schlimmes. Uarg!!
Zu meiner Zeit, als ich studierte, gab es auch schon jede Menge Betrug. Die entsprechenden Kommilitonen waren der festen Überzeugung, dass das Wissen und die Fähigkeiten, die man im Studium lernt, vollständig sinnlos und unnötig seien und man das im Leben nie wieder brauche. Auch im Berufsleben nicht. Tja, und dann ist man im Berufsleben und stellt erstaunt fest, dass man so "theoretische Methoden" wie UML doch jetzt können sollte. Aber dann schiebt man die Schuld einfach auf die Dozenten, die schlecht erklären, oder behauptet ganz pauschal, UML noch nie gesehen zu haben.
Kurz und gut: Der Sinn und Zweck eines Studiums ist nicht die Note, sondern das Wissen und Können, das man dabei erwirbt. Die Prüfungen und Noten sind einfach dazu da um abzuchecken und zu messen, ob und wie gut man das Lernziel erreicht hat. Ich kann mein Wissen aus dem Studium immer mal brauchen, auch wenn man natürlich nie auslernt. Aber beispielsweise neuronale Netze habe ich damals schon gelernt. Dieses Wissen ist immer noch nicht veraltet!